Zur Postgeschichte in Lennep

21 Juni 2010 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Jüngst stellte eine in der Region viel gelesene Zeitung die Rätselfrage, wo denn in Remscheid der Berliner Hof gelegen sei, wohin die Lenneper Post 1960 im Zuge einer Evakuierung aus dem zerfallsbedrohten Gebäude gegenüber dem Bahnhof umziehen musste.

Da dies so mancher Zeitgenosse altersbedingt selbst nicht miterlebt hat, zudem die an den Mollplatz angrenzende Straße Poststraße heißt, was auf den ersten Blick verwundern mag, und überhaupt weil das Areal am Mollplatz mit der Lenneper Postgeschichte sehr verbunden ist, was erst recht kaum noch jemand weiß, so mag dies ein geeigneter Anlass sein, sich wieder einmal mit der Historie auf diesem Areal zu beschäftigen. Natürlich musste die Antwort auf die oben wiedergegebene Frage lauten: der Berliner Hof liegt heute am Mollplatz, und zwar am Mollplatz 1. Aber das war nicht immer so. Denn der Berliner Hof ist viel älter als die Bezeichnung Mollplatz. Der Platz hieß zuvor Kaiserplatz, aber auch als es Ende des 19.Jahrhunderts zu dieser Bezeichnung kam und 1889 das Kaiserdenkmal am Anfang des Thüringsbergs erbaut wurde, da war das Hotel schon da und Teile davon wurden auch schon im 19. Jahrhundert durch die Postverwaltung genutzt. Nicht umsonst wie gesagt heißt die Straße, an deren Beginn 1960 Teile des Berliner Hofs zu einer behelfsmäßigen Poststation umgebaut wurden, Poststraße. Im Lenneper Adressbuch des Jahres 1903 lautet denn auch die Adresse des Berliner Hofs auf Poststraße1. Diese war im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts als neue Poststraße (die alte war der heutige Gänsemarkt) zur Entlastung und Umgehung der Altstadt begonnen worden, und sie entwickelte sich mit der Verlängerung über das Lüttringhauser Tor (später Kaiser- und dann Mollplatz) mit dem Thüringsberg ( früher Alleestraße bzw. Hindenburgwall) zur einer vornehmen Meile, an der die Mächtigen der Tuchindustrie ihre repräsentativen Geschäftshäuser und Villen bauten. Wie gesagt, der Berliner Hof war damals schon lange präsent und ein Teil davon steht wohl auf den Fundamenten der ehemaligen Lenneper Stadtmauer, die gegen Ende des 18. Jahrhundert bis zu den sog. Freiheitskriegen (1813-1815) nach und nach beseitigt wurde, weil die Stadt Lennep immer größer wurde und eine mittelalterliche Stadtmauer funktionslos geworden war.

In Lennep erzählte man sich über die Geschichte des Berliner Hofs folgendes: Das Hotel oder wenigstens eines seiner Vorgebäude wurde nach dem Stadtbrand des Jahres 1746 oder kurze Zeit später erbaut. Der Erbauer soll der zu jener Zeit geschätzte Baumeister H. Beckmann gewesen sein. Dieser war auch der erste Hotelbesitzer, ihm folgte Carl Buscher, dann August Rasche. Zu Adolf Buschers Zeiten tagte im „Berliner Hof“ die Gesellschaft Goldener Zirkel, wo es dann bei Festlichkeiten hoch her ging. Im Laufe der Zeit wurde der „Berliner Hof“ durch notwendige Anbauten vergrößert. Bei den Lenneper Schützenfesten wurde früher der Krönungsball mit großer Feierlichkeit im „Berliner Hof“ abgehalten. Auch offizielle Festlichkeiten wie die abendliche Galafeier zur Eröffnung der Bevertalsperre fanden im besten Hotel der Kreisstadt statt, und noch heute erinnern sich viele Lenneper an die dortigen Tanzstunden und Bälle. Von großem Interesse waren früher die sog. Fremdenlisten, d.h. die Veröffentlichung der nach Lennep kommenden Gäste mit ihren Unterkünften. Sie wiesen sehr angesehene Personen auf, z. B. Grafen, Barone, Freiherren, Pfarrer, höhere Beamte und Gewerbetreibende aus nah und fern. Diese logierten zu einem erheblichen Teil im „Berliner Hof“. Dies kann man in der Tat im Lenneper Kreisblatt nachträglich noch heute nachlesen. So heißt es hier am Sonnabend, den 1. Juni 1832 unter der Rubrik Angekommene Fremde, dass ein Baron von Nordeck mit Familie aus Hemerich und ein Kaufmann Hammacher aus Dortmund im Berliner Hof abgestiegen seien.

Ich selbst habe als 13Jähriger den Umzug der Post in den westlichen Teil des Berliner Hofs mit erlebt, da ich seinerzeit genau gegenüber wohnte und das Gebäude seit meiner Kindheit kannte. Wir spielten dort öfters in den ungenutzten dunklen Räumen. Aus unserem Garten trug mein Vater im Sommer Blumenschmuck ins Hotel, die Frau des damaligen Hotelbesitzers war eine Jugendfreundin und auch schon in der zweiten Generation im Hotel. Ich erinnere mich noch an den Koch namens Herr van Essen, der in unserem Haus ein Zimmer gemietet hatte und mit seiner großen weißen Kochmütze über den Mollplatz ging. Zu meiner Oma sagte er scherzhaft: Oma, bleib ein anständiges Mädchen!“ Später wohnten dann Postbedienstete bei uns, die nur am Wochenende in ihre Heimat fuhren, z.B. Herr Rüter aus dem Westfälischen, der einen genau so aussehenden Zwillingsbruder hatte. Natürlich konnten die beiden auch in Lennep nicht auseinander gehalten werden. Als Oberschüler dann arbeitete ich selbst in den Ferien bei der Post im Berliner Hof und trug die Briefe im Bereich Wupper-, Leverkuser Straße, Rotdornallee und Sauerbronnstraße aus. Damals musste ein Briefträger zu Beginn des Monats noch die Rundfunkgebühren und Mitte des Monats die Zeitungsrechnungen kassieren. Ich kann mich noch erinnern, dass der damalige Stellenleiter der Post, ein früherer Offizier, uns Schüler ermahnte, diese Ferientätigkeit nicht zu schnell auszuüben, um den älteren Normalpostlern nicht die Zeiten kaputt zu machen. Gerne trafen sich damals drei oder vier Schüler in einer Wirtschaft an der Grenze ihrer „Orte“ (Austragebezirke), schon um elf Uhr, um nach getaner Zustellerarbeit ein wohlverdientes Helles zu trinken. Damals fasste ein normales Bierglas noch einen halben Liter.

Auch das „alte“ Postgebäude gegenüber dem Lenneper Bahnhof habe ich noch gekannt. Dort ging mein Vater in den 1950er Jahren auch am Wochenende mit mir hin, um die Schließfachpost für das Baugeschäft auf der Karlshöhe zu holen. Als Röntgenschüler arbeitete ich mit Freunden dort später bei der Paketumladestation, wir warfen die Postpakete, die von der Annahmestelle am Mollplatz kamen oder die in Lennep umgeladen werden mussten, in hohem Bogen in die großen Laster, drinnen war dann einer, der dann die Pakete aus Platzgründen ordentlich stapelte. Auf der Schubkarre, so erinnerte sich neulich ein Freund bei einem Lenneper Stadtrundgang, wurden die schweren Geldkisten von der Bahn über die Straße gezogen und mit den VWs der Post zum Berliner Hof gefahren. In der Regel fuhr man die PKW in zweiten Gang und mit nicht zu überhörendem Vollgas, und es hieß: wer bremst ist feige. Beim Geldtransport machten sich die fest angestellten Postler einen Spaß daraus, die Oberschüler mit der dabei obligatorischen Dienstpistole zu versehen, bei einem Überfall hätten wir sicher nicht gewusst, wie man damit umgeht, und natürlich war die Übergabe an Schüler auch gar nicht erlaubt.

Dass ihre Post einmal ins Hotel am Mollplatz ziehen würde, das hätten sich die Lenneper wohl einst nicht träumen lassen. Als im Juni 1960 dorthin umgezogen wurde, war der marode Zustand des alten Postgebäudes am Bahnhof schon lange bekannt. Die Decken des von 1919 bis 1921 errichteten Gebäudes drohten einzustürzen, eine Folge insbesondere der verschiedenen Bombenangriffe in den letzten Kriegstagen.

Viele der Heutigen wissen übrigens nicht, dass sich das Lenneper Postgeschehen im 19.Jahrhundert bereits schon einmal an der Poststraße und am Mollplatz abgespielt hat, und zwar auf dem Areal zur Lüttringhauser Straße und zur Knusthöhe hin. Im Lenneper Kreisblatt vom 18. 02. 1922 wurde seinerzeit wehmütig über die gute alte Zeit berichtet, als die Post ihre Wagen mit Pferden betrieb und die Eisenbahn in Lennep noch nicht vorhanden war. Es hieß damals, dass die Postanstalt in ihrer äußeren Erscheinung und in ihrer Anpassung an die Verkehrsverhältnisse in den letzten 80 Jahren, also seit ca.1860, viele Umwandlungen durchgemacht hat. Bevor die Anlage der Eisenbahn Barmen-Rittershausen-Remscheid im Jahre 1868 die alten Verkehrsverhältnisse umwandelte, war mit der hiesigen Post eine Posthalterei verbunden, weil von hier aus die Postwagen nach allen Richtungen hin verkehrten und eine Menge Pferde gehalten werden mussten. Die Posthalterei lag an der Abzweigung der jetzigen Lüttringhauser Straße (früher Elberfelderstraße, vor 1849 Endringhausergasse) von der Knusthöhe. Das linke Eckhaus mit anliegenden Hintergebäuden war damals Pferdestall. Im Hauptgebäude standen in zwei Ställen je 24 Pferde, in dem Hintergebäude etwa 10 bis 20 Pferde je nach Bedarf. Die oberen Stockwerke dienten im Vordergebäude als Futterboden, im Hintergebäude als Schlafraum für die unverheirateten und fremden Postillione. In dem Quergebäude, dem Spezereiladen (später Lebensmittel Heyer), waren unten Wagenremise und Schmiede für Hufbeschlag und Reparaturen, oben der Heu- und Strohboden untergebracht. In dem Eckhaus an der Knusthöhe, dem vormaligen Gasthof Schingen („im Weinberg“) war der hintere Teil zur Verwalterwohnung der Posthalterei eingerichtet, mit einer großen Wirtschaftsküche, da die Posthalterei außer den Postpferden auch noch Kühe hielt. Ein langer Stall und ein Wirtschaftsgebäude mit großer Scheune lagen an der nordwestlichen Seite, an der heutigen Lüttringhauser Straße entlang, das Gebäude ist anfangs der 1880er Jahre abgebrannt. Verkohlte Speckseiten sollen damals über die Straße geflogen sein und verursachten dadurch für weitere Häuser Brandgefahr. Es verkehrten täglich mehrere Male vierspännige Postwagen, vorn Kabriolett für den „Kondukteur“ und ein bis zwei Fahrgäste, hinten ein sechssitziger Hauptwagen, mit großem Paketkasten am hinteren Ende, nach Elberfeld über Lüttringhausen und Ronsdorf, sowie nach Gummersbach über Wipperfürth und Marienheide, mit Pferdewechsel in Wipperfürth. Sodann ging jeden Morgen um fünf Uhr und mittags ein dreispänniger Wagen nach Köln mit 6 Sitzen, davon gehörte einer dem Kondukteur; der Pferdewechsel fand in Straßerhof im Oberbergischen statt. Nach barmen-Rittershausen, Schwelm, Halver über Radevormwald, sowie nach Remscheid fuhren täglich ein- bis zweimal zweispännige Postwagen mit 6 Sitzen oder bei Wagen mit hinterem Eingang auch 8 Sitzen. Letztere hatten alsdann 3 Pferde. Unter den Postillionen waren immer einige, die auf dem Posthorn außer den bekannten Hornsignalen noch andere Melodien blasen konnten, sie spielten abends meistens in ihrem Zimmer und auch unterwegs auf Wunsch der Fahrgäste. Der anheimelnde, schöne Klang des Posthorns wurde allgemein als besonderer Genuss empfunden. Auf dem Posthaltereihof und vor dem Postgebäude war immer ein reges Leben und Treiben. Die Pferde wurden häufig in den großen Teich am Thüringsberg hinter dem späteren Kaiserdenkmal in die Schwemme geritten, es war ein fortwährendes An- und Abschirren der Pferde, da außer den regelmäßigen Postwagen bei besonderen Gelegenheiten viele Beiwagen gestellt werden mussten, ebenfalls Extrapost. Die Pferde wurden auch für den großen landwirtschaftlichen Betrieb der Lenneper Posthalterei gebraucht, sie mussten die Felder bearbeiten und die Feldfrüchte einholen.

Der eigentliche Postbetrieb, Annahme und Versand der Korrespondenzen und Pakete, der Telegraphendienst und dergleichen hatte mit der alten Posthalterei später direkt nichts zu tun, dazu diente dann das neben der alten Posthalterei entstandene Kaiserliche Postgebäude, später Polizei, die manche von uns in der Zeit nach 1945 dort noch erlebt haben. Der Eingang der alten Poststation lag vorne am Gebäude über einer Treppe von einigen Stufen. Links war das Postbüro mit Briefschalter, rechts vorne eine Passagierstube, hinten die Packkammer. In der oberen Etage wohnte der Postmeister. Nach einem Umbau von 1882 sind diese Verhältnisse im Wesentlichen so geblieben bis zum Umzug in den Neubau am Bahnhof Anfang der 1920er Jahre, wozu das inzwischen eingerichtete Privatwohnhaus des ehemaligen Posthalters Groß, dessen Familie sich inzwischen mit einer Gastwirtschaft im Bahnhof eingerichtet hatte, wieder weichen musste. Auf einigen historischen Postkarten ist es noch abgebildet.

Das Reisen in der Zeit vor dem Vordringen der Eisenbahn, man möchte sagen: in der guten alten Zeit, hatte auch seine Annehmlichkeiten. Man hatte damals mehr Zeit zur Verfügung, wer es besonders eilig hatte, und das Ziel war nicht gar zu weit, der ging zu Fuß, er war dann nicht an die bestimmten Fahrzeiten gebunden. Das Zusammenfahren der verschiedensten Stände im engen Postwagen hatte viel Interessantes und erzeugte häufig ergötzliche, wohl auch in einigen Fällen weniger angenehme Erlebnisse, es gab eben keine verschiedenen Klassen, alle Stände waren genötigt, zusammen zu fahren. Es kam häufig genug vor, dass eine vornehme Dame oder ein Herr mit einem auf Maulkraft geeichten Schwätzer zusammen fahren musste; es blieb dann nur die Möglichkeit, krampfhaft die Zeitung oder ein Buch zu lesen, und das Geschwätz als unangenehmes, unvermeidliches Geräusch über sich ergehen zu lassen.

Nach Anlage der Haupteisenbahn im Jahre 1868 wurde der Postwagenverkehr von der Lüttringhauser Straße aus erheblich eingeschränkt und die alte Posthalterei aufgegeben. Es verkehrten nur noch Postwagen nach Radevormwald, Dahlhausen und Beyenburg, bis auch diese nach Anlage der Wupperbahn im Jahre 1887 aufgegeben wurden. Des Posthorns dumpfer, aber doch schöner Klang war verschwunden, es kam eine neue Zeit. Die zu beschreiben, dies wäre schon wieder eine andere Geschichte, heutzutage kann ja froh sein, in Lennep überhaupt noch eine Postmöglichkeit zu haben, eine übrigens, die –unter den gegebenen Umständen- sehr gut funktioniert.

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