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Updates einer Zusammenfassung von Renate Hulverscheidt aus dem Jahre 2012

Der Lenneper Dr. Wilhelm Richard Schmidt wurde 1947 im alten Lenneper Krankenhaus von 1875 an der Hackenberger Straße geboren und wuchs am Mollplatz auf. Als Kind ging er in den Kindergarten in der Hardtstraße, heute Kinderhaus Westerholt, und verbrachte seine Volksschulzeit zunächst im steinernen Nebengebäude der nahe gelegenen Freiherr-vom-Stein-Schule, später dann in der Schule zur Glocke an der oberen Kölner Straße. Damals wusste er noch nicht, dass alle genannten Gebäude einschließlich des heute nicht mehr existenten evangelischen Gemeindehauses in der ehemaligen Schulstraße von seinen Vorfahren errichtet worden waren. 1961 wurde er von Pfarrer Spengler in der Lenneper Stadtkirche konfirmiert und war in dieser Zeit über den CVJM ein häufiger Gast in den evangelischen Zentren an der Hardt- und Thaerstraße.

Abb. 1 Abb. 2

Abb. 1: Das Haus der Familie Schmidt entstand im ersten Viertel des 19.Jahrhunderts als Geschäfts- und Wohnhaus von Lenneper Fabrikanten vor dem Lüttringhauser Tor und war seit 1900 bis zu seinem Abriss, hier im Bild 1971, in familiärem Besitz.  Abb. 2: Wilhelm Schmidt in der Lenneper CVJM-Kluft mit Cousinen im Garten am damaligen Mollplatz 7. Heute steht dort das große Vielfamilienhaus Lüttringhauser Straße 2.

Nach dem Abitur am Röntgen-Gymnasium im Kurzschuljahr 1966 studierte Schmidt ab dem Wintersemester 1966/67 in Gießen Germanistik, Philosophie, Theaterwissenschaft, Geschichte, Politik, Soziologie und Öffentliches Recht, insgesamt eine Art Studium Generale, wobei das Fächer Philosophie, Germanistik und Geschichte immer mehr in den Vordergrund rückten. Das Magisterexamen erfolgte im Jahre 1973, die Promotion 1980 mit einem Thema aus dem Bereich der italienischen Geschichtsphilosophie im Fachbereich Geschichte. Als Wissenschaftler am damaligen Zentrum für Philosophie und die Grundlagen der Wissenschaften in Gießen zwischen 1972 und 1980 arbeitete er mit am monumentalen Historischen Wörterbuch der Philosophie und war Mitherausgeber der Suhrkamp Gesamtausgabe des von den Nationalsozialisten vertriebenen Philosophen und Soziologen Helmuth Plessner, den er 90jährig in Göttingen noch persönlich kennenlernte.

Abb. 3 Abb. 4

Abb. 3: Noch während seiner Studienzeit arbeitete Schmidt an der zehnbändigen Ausgabe des Philosophen und Soziologen Helmuth Plessner mit.  Abb. 4: Im Jahre1980 wurde er in Gießen mit einer Arbeit zur italienischen Geschichtsphilosophie promoviert, die Arbeit erschien im Jahre 1982 im Verlag Königshausen & Neumann in Würzburg.

Die ursprüngliche Habilitationsabsicht im Bereich Philosophische Anthropologie der 1920er Jahre mit den damit zusammen hängenden Berufsangeboten an der Freien Universität Berlin bzw. der Lessing Akademie in Wolfenbüttel gab er zugunsten des langfristig sicheren Archiv- und Bibliotheksberufs wieder auf und legte ein einschlägiges Referendariat in Darmstadt und Frankfurt am Main ab. Ein äußerlicher Höhepunkt seines „philosophischen Lebens“ wurde ein Mittagessen mit  Bundespräsident Köhler und Frau im Schloss Bellevue im Zusammenhang der Ehrung seines philosophischen Lehrers Odo Marquard im Jahre 2008.

Abb. 5 Abb. 6

Abb. 5: Schüler und Freunde aus Wissenschaft und Verlagswesen wurden 2008 vom Bundespräsidenten Horst Köhler zu einem Mittagessen zu Ehren von Philosophieprofessor Odo Marquard (Gießen) geladen. Abb. 6: Später in der Frankfurter Direktion: Dr. Schmidt zeigt der Presse zerfallsgeschädigtes Kulturgut (hier u.a. Mäusefraß), das einer tiefgreifenden Restaurierung bedarf.      

Zukunft braucht  Herkunft, diese zunächst philosophische These, die später u.a. auch der Bergische Geschichtsverein – Abteilung Remscheid ähnlich auf seine Fahnen schrieb, setzte sich fort bis in die praktische Bibliotheksarbeit, nämlich die Rettung gefährdeten Kultur- und Schriftguts. Nach dem Abschluss seiner Bibliotheksausbildung im Herbst 1982 arbeite Dr. Schmidt zunächst bis Mitte 1985 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt a.M. und bis 1989 als Stellvertretender Direktor des Öffentlichen Bibliothekssystems der Stadt Hannover mit Wissenschaftlicher Stadtbibliothek, Musikbibliothek, Fahrbücherei und 22 dezentralen Bibliotheken. Von 1989 bis 2012 war Dr. Schmidt sodann als Bibliotheksdirektor und Stellvertretender Leiter des universitären Gesamtsystems bei der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main tätig, die seit 2005 als Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg der Frankfurter Goethe-Universität firmiert. Die Frankfurter Bibliothek betrieb seinerzeit u.a. eine Ausbildungsstätte für Bibliothekare des Mittleren und des Höheren Dienstes (Referendariat) einschließlich einer Fachhochschule für den gehobenen Dienst. Hier sowie an den Universitäten Hannover und Frankfurt am Main arbeitete Schmidt auch als Dozent für Literaturwissenschaft und Bibliothekswesen. Zu seinen Arbeitsgebieten in Frankfurt gehörte neben der alltäglichen Direktionsarbeit (Personal, Finanzen, Bau usw.) die Entwicklung nationaler und supranationaler  Strategien zur Bestandserhaltung historischer Bestände, zunächst im Bereich Mikroverfilmung, später mit der Begründung der ersten bundesweit großen und durch bedeutende Drittmittel (VW, DFG) geförderten Digitalisierungsvorhaben im Archiv- und Bibliotheksbereich. Mit seinem Namen sind darunter besonders die Gebiete Flugblätter und Flugschriften der Revolution von 1848, Koloniales Bildarchiv und Israel/Judentum verbunden. Zehn Jahre lang wirkte Dr. Schmidt zusammen mit weiteren Direktoren und Professoren als Gutachter für diesen Bereich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und als Sachverständiger im DIN-Bereich.

Abb. 7 Abb. 8

Abb. 7: Publikumswirksame Präsentation zu Bestandserhaltung ganzer historischer Sammlungen der Bereiche Historische Flugblätter, Afrika südlich der Sahara und Israel/Judentum Anfang der 1990er Jahre in den Frankfurter Römerhallen. Abb. 8: Zur Rettung historischer Glasplattenfotos aus der Kolonialzeit reiste Dr. Schmidt auch ins heutige Namibia.

Bei den unter seiner Leitung durchgeführten Frankfurter Literaturausstellungen als Parallelveranstaltung zu den Frankfurter Poetikvorlesungen der Universität und des Suhrkamp Verlags kam es zu interessanten, z.T. sehr persönlichen Kontakten u.a. mit Günter Grass, Walter Jens, Marlene Streeruwitz, Eva Demski, Robert Gernhardt und Marcel Reich-Ranicki. Es ging dabei auch um die Akquisition ganzer Literatur-Archive, u.a. und der sog. Frankfurter Schule (Horkheimer, Adorno, Marcuse, Habermas) sowie des Literaturbereichs (u.a. Franz-Lennartz-Literaturarchiv).

Im Zusammenhang seiner 22jährigen Leitung und Herausgabe der weltweit bedeutendsten Bibliographie zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft (BDSL) setzte Schmidt seine bereits Anfang der 1970er Jahre als Student begonnenen Lehrtätigkeiten an Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen und berufsbildenden Schulen fort, später auch als Dozent im Bereich des Vorhabens Buch- und Medienpraxis der Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt a.M. Für das nationale Großvorhaben einer Sammlung Deutscher Drucke übernahm Schmidt geeignete Buchexemplare aus einer aufzulösenden Lenneper Lehrerbibliothek in den Bestand der Universitätsbibliothek Frankfurt a.M.

Abb. 9 Abb. 10

Abb. 9: Dr. Schmidt rief in Frankfurt eine „Aktion Notbuch“ ins Leben, mit der Spender die Restaurierung seltener historischer Werke bezuschussen  können. Eine praktische Rettungsaktion  bestand in der Übernahme seltener Bücher aus der Lehrerbibliothek des Lenneper Röntgengymnasiums, als die Bibliothek aus Platzgründen aufgelöst wurde. Abb. 10: Zweiundzwanzig Jahre leitete Schmidt in Frankfurt die weltweit bedeutendste Bibliographie zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft  (BDSL).

Die von Schmidt ins Leben gerufene Aktion Notbuch, mit der Spender für die konservatorische Rettung historischer Buch- und Schriftmaterialien geworben werden, verweist nicht zuletzt auf einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit, nämlich für gute Zwecke Spenden zu sammeln. Dies bewirkte im bergischen Bereich z.B. den wiederholten Hinweis auf das Café Namibia der evangelischen Kirchengemeinde in Lennep. Seine Einwerbung von Spenden verbindet sich auch mit seiner früheren beruflichen Tätigkeit, bei der er im Rahmen der Sicherung historischer Bildmaterialien aus der Kolonialzeit  nach Namibia kam, dort Kontakte knüpfte und bis heute unterhält. Mehrere Kunstgegenstände bzw. deren Verkaufserlös stiftete er bereits an das Lenneper Café Namibia, darunter ein Gemälde von Erich Hasenclever-Burg, das früher in seinem heute nicht mehr existenten Vaterhaus am Mollplatz hing. Die Briefmarkensammlung seines Vaters ging 2012 zur Verwertung an das Lenneper Tierheim.

Abb. 11 Abb. 12

Abb. 11: Beim Lenneper Café Namibia konnte Dr. Schmidt Fach- und Spendeninteressen verbinden, u.a. wurden beim Verkauf eines Ölbildes aus seinem Vaterhaus (Titel: In der Purt) vom Künstler Hasenclever-Burg 500 Euro realisiert. Abb.12: Auch moderne Kunst, hier ein Bild des Leverkusener Künstlers Alexander Steffes, wurden für das Café Namibia in Lennep versteigert. Schmidt arbeitete mit dem Künstler in der Frankfurter Paulskirche bei einer Aktion gegen rechtsradikale Gewalt zusammen.

Der Bezug zu Namibia, der letztlich auf Planungsarbeiten seines Urgroßvaters Albert Schmidt für einen Staudamm im Sambesigebiet aus dem Jahre 1907 zurückging, äußert sich auch darin, das Dr. Schmidt sich zur Verabschiedung in seiner Frankfurter Bibliothek keine Einzelgeschenke wünschte, sondern Geldspenden für das Lenneper Café Namibia. Er hat den Betrag dann verdoppelt und der Lenneper Kirchengemeinde im Gemeindehaus Hackenberg übergeben.

Abb. 13 Abb. 14

Abb. 13: Im Jahre 2013 wurde von den Lenneper Altstadtfreunden eine historische Ansichtskartensammlung an das historische Zentrum übergeben. Die Sammlung wurde zuvor von Dr. Schmidt im Rahmen eines DFG-Projektes sicherheitsverfilmt und digitalisiert Abb. 14: Dr. Wilhelm R. Schmidt und Ehefrau Dr. Irmhild Schmidt überreichen einen 1000.- Euro Scheck. Rolf Haumann und Pfarrerin Peters-Gößling freuen sich über die Namibiaspende..

Nach seinem altersbedingten Ausscheiden aus der Kulturverwaltung in Frankfurt (Stadt, später Universität) wurde der Lenneper oft gefragt, ob er denn nun nach seinem beruflichen Leben nach Lennep zurück ziehen werde, um sich noch mehr der bergischen Geschichte zu widmen. Eine Verstärkung der Aktivitäten, auch im Ausstellungs- und Vortragsbereich, wurde in der Tat nach 2012 in Zusammenarbeit mit bergischen Institutionen und Vereinen Wirklichkeit, andererseits jedoch ist Dr. Schmidt durch sein Studium seit 1966 bereits auch mit der Stadt und Universität Gießen verbunden, wo er mit der Familie seinen ersten Wohnsitz hat, auch wenn er berufsbedingt längere Zeiten in Darmstadt, Hannover und vor allem in Frankfurt a.M. arbeitete.

Abb. 15 Abb. 16

Abb. 15: Dr. Wilhelm Schmidt mit Ehefrau Dr. Irmhild Schmidt im Jahre 2017. Abb. 16: Dr. Wilhelm R. Schmidt im Jahre 2012 beim Überreichen der Briefmarkensammlung seines Vaters an die damalige Vorsitzende des Lenneper Tierheims., Frau Schmidt.

Zu den regionalgeschichtlichen Veröffentlichungen von Dr. Schmidt: Wie erwähnt begannen alle Lennep betreffenden Untersuchungen im Vorfeld des Jahres 2000, als das umfassende Buch über seinen Urgroßvater Albert Schmidt (1841-1932) erschien, zusammengestellt aus dessen geschäftlichen und familiären Erinnerungen, die im Remscheider Stadtarchiv sowie der Stadtbücherei ausleihbar waren. Nach und nach wurden durch eine Schreibkraft die als hektographierte Typoskripte vorliegenden Texte des Urgroßvaters erfasst  und von Schmidt korrigiert und bearbeitet. Bis heute harren viele unveröffentlichte Texte der Endbearbeitung. Übersichten der von Wilhelm R. Schmidt und anderen Autoren veröffentlichten Lenneptexte findet man hier: https://www.lennep.eu/bibliographien/  sowie    https://www.lennep.eu/lenneper-literatur/

Abb. 17 Abb. 18

Abb. 17: Trotz der zahlreiche Texte von Albert Schmidt präsentierenden Monographie aus dem Jahre 2000 bleiben bisher noch viele andere Texte unveröffentlicht. Sie bedürfen z.T. zunächst der genauen Transkription.  Abb. 18: Titelseite eines Bandes der Erinnerungen von Albert Schmidt im Remscheider Stadtarchiv. Obwohl die maschinenschriftlich überlieferten Texte bereits neu erfasst sind, so fehlt es doch noch an der wissenschaftlichen Bearbeitung für eine Herausgabe.

 


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