Zur Panzertalsperre in Lennep
Im Juni 2016 wurde die Lenneper Panzertalsperre nach langjähriger Instandsetzung wieder gefüllt und eingeweiht. Dazu gab es in der Presse viele Berichte mit gegenwärtigem Bildmaterial. Aber vielleicht ist es auch einmal interessant zu wissen und zu sehen, wie alles angefangen hat. Der Erbauer der Talsperre, dem an der Außenseite der Staumauer seit mehr als einhundert Jahren eine Gedenktafel gewidmet ist, die anlässlich der genannten Wiedereröffnung auch gesäubert wurde, war der Lenneper Baumeister, Architekt und Ingenieur Albert Schmidt, der in seinen umfangreichen Lebenserinnerungen die Entstehung und Entwicklung der ursprünglichen Lenneper Talsperre mehrfach beschrieben hat, unter anderem 1921 im Lenneper Kreisblatt. In unserem kurzen Beitrag halten wir uns unter Weglassung des umfangreichen technischen Zahlenmaterials im Großen und Ganzen an Albert Schmidts Texte und fügen ein paar historische Abbildungen der Entwicklungsstufen bei, die z.T. nur in den privater Hand bzw. im meinem Lenneparchiv überliefert sind.
auf einer Ansichtskarte um 1910
Die Entstehung von Wasserleitung und Talsperre in Lennep
In dem niederschlagsreichen Jahre 1882 hatten sich in einzelnen Stadtteilen von Lennep Krankheitserscheinungen, eine Art typhösen Fiebers leichterer Art, entwickelt, die darauf hinweisen konnten, dass das Wasser vieler Brunnen verseucht war. Eine chemische und bakteriologische Untersuchung von 24 Brunnen hatte ergeben, dass die meisten Brunnen ungenießbares Wasser enthielten, die zum Teil sogar sehr stark durch Dungstoffe verunreinigt waren. Es wurde angenommen, dass die häufigen Flutaufschwellungen des Grundwassers im Jahre 1882 die lockeren Schichten der Erdoberfläche mit Wasser gefüllt, und dann den Unrat aus den Dunggruben in die Brunnen geschwemmt hatten. Die Begriffe über Bodenhygiene waren damals noch wenig verbreitet. Eine Untersuchung der Abortgruben durch die Baupolizei hatte ergeben, dass eine Menge Gruben Überlaufrohre besaß, die die flüssigen Dungstoffe in die undichten Kanäle oder unterirdischen Wasserläufe leiteten; man konnte und wollte bis dahin dadurch eine zu häufige Entleerung der Gruben vermeiden. Trotz des Widerstrebens einiger Mitglieder fasste deshalb im Jahre 1883 der Stadtrat den Beschluss, eine Wasserleitung zu erbauen. Da man über die Rentabilität der Anlage keine Gewissheit haben konnte, so übernahmen Männer mit weitem Herzen und weitem Blick eine gewisse Garantie, indem sie einen Teil der Kosten vorlegten, die erst dann verzinst werden sollten, wenn die Zinsen für die städtischen Auslagen durch den Betrieb eines Wasserwerkes gedeckt waren. Schon das erste Betriebsjahr zeigte, dass die hochherzige Hilfe unnötig war, es brachte schon Überschüsse für die Stadtkasse. Eine Verwendung von Talsperren, besonders für Wasserleitungszwecke, war damals noch nicht möglich, weil die preußische Regierung sich noch nicht zu der Anschauung durchgerungen hatte, dass man Talsperren mit völliger Sicherheit für Standfestigkeit erbauen könnte, sie genehmigte damals eine geplante Talsperre im deutsch-belgischen Tal der Weser (Vesdre) für die Städte Eupen und Verviers nicht; die Sperre wurde deshalb im Tal der Gileppe in Belgien für Verviers allein erbaut.
Die Stadt Lennep musste also eine Grundwasserleitung anlegen, und sie war wegen ihrer Höhenlage genötigt, in tiefer liegenden Tälern ihrer Umgebung Grundwasser zu sammeln und in hochliegende Behälter zu pumpen, um das Wasser allen Häusern zur Verfügung stellen zu können. Die Wassergewinnungsanlage wurde im waldreichen und nicht zu stark bebauten Panzerbachtal südöstlich der Stadt Lennep errichtet, das bei einem zwei Quadratkilometer großem Niederschlagsgebiet für den damaligen Bedarf genügend einwandfreies Grundwasser liefern konnte, obwohl man von dem unterirdischen Grundwasserstrom des Tales nur einen Teil nahm, da das vom Felsuntergrund aus nach oben zum Bach hinfließende Grundwasser nicht vollständig verbraucht werden durfte, weil sich sonst Hohlräume im Kiesuntergrund bildeten, in denen bei Trockenperioden das verunreinigte Oberflächenwasser des Baches eindringen konnte. Der Erbauer der Anlage, Ingenieur Disselhoff aus Hagen, der auch die Remscheider Grundwasseranlage erbaut hatte, glaubte damals, eine für eine längere Zeit genügende, einwandfreie Wassergewinnung anlegen zu können, zumal er über die Entwicklung der Stadt noch keine Kenntnis haben konnte. Die Anlage bestand aus einer Anzahl von Grundwasserbrunnen, die auf zwei Kilometer Länge im Tal verteilt waren, sie lieferten das Grundwasser zur Pumpenanlage an der Krebsöger Straße. Das Wasser wurde alsdann durch zwei mit Dampf betriebene Kolbenpumpen durch eine Rohrleitung von 2800 Metern Länge in den auf der Knusthöhe 100 Meter höher liegenden Hochbehälter gepumpt und in das Stadtrohrnetz geleitet.
Über den Wasserabfluss der Bäche und Flüsse, die ja aus den Grundwasserquellen gebildet wurden, hatte man damals noch keine Erfahrungen sammeln können, da ja erst seit dem 1. Januar 1882 von Albert Schmidt zuerst in Deutschland systematische tägliche Wasserabflussmessungen erhoben wurden, so dass die Schwankungen des Abflusses und besonders der geringste Wasserabfluss in langen Trockenperioden noch nicht bekannt war. Die Zunahme des Wasserverbrauchs, die immer stärker ist als die Bevölkerungszunahme, sowie der Eintritt in eine längere Periode trockener Jahre, die in Klimaschwankungen begründet sind, veranlasste im Jahre 1892 empfindlichen Wassermangel. Unterdessen war die Talsperrenidee durch Professor Intze in Aachen und Albert Schmidt seit 1887 soweit gefördert worden, dass die Regierung für Talsperrenmauern, die nach richtigen statischen Regeln erbaut waren, die Genehmigung nicht mehr versagen konnte. Sodann war man durch die Untersuchungen des Wassers in Schweizer Seen davon überzeugt worden, dass sich das Oberflächenwasser, mag es noch so bakterienreich sein, durch sein ruhiges Verweilen in tiefen Becken vollständig reinigt und ein einwandfreies Wasserleitungswasser liefert. Die Vorbedingungen für eine Verbesserung des Zustandes waren nun gegeben, weil das Panzertal einen Jahresabfluss von 1 200 000 Kubikmeter Wasser hatte, also dreimal mehr als der Bedarf der Wasserleitung. Es versagte ja nur in den langen Trockenperioden. So brauchte man nur so viel Hochwasseranschwellungen in einem großen Aufspeicherungsbecken zurückzuhalten wie es notwendig war, den Bedarf bei Wassermangel damit decken zu können. Eine volle Ausnutzung der gesamten Wassermengen des Tales hätte einer Größe des Talsperrenbeckens von 50 000 Kubikmetern Inhalt bedurft. Der Wasserverbrauch war im Jahre 1892 zwar genügend, aber man musste doch mit einer weiteren Entwicklung der Stadt und des Wasserbedarfs rechnen. Im Frühjahr 1893 erlebte Lennep seine längste Trockenperiode ohne jeden Niederschlag. Vom 20. März an hatte es in 42 Tagen keinen Tropfen geregnet, und auch dann bis zum Juli nur äußerst wenig, so dass eine große Dürre entstand, in der der Grundwasserzufluss bis zum äußersten Minimum herabsank und die Wasserleitung versagte. Diese Wassernot wurde die Geburtsstunde der Talsperrenanlage, und nach langen Kämpfen im Stadtrat wurde am 16. Juni 1893 beschlossen, eine Talsperre von 117 000 Kubikmeter Wasserinhalt zu erbauen. Die Mehrheit im Stadtrat hatte den Sinn jeder Gemeinschaft begriffen, die nur dann ihre Aufgabe erfüllt, wenn sie unablässig auf das Wohl der Gemeinschaft hinarbeitet. Die Baupläne waren schon während der Beratungen fertiggestellt worden, die Genehmigung durch die Regierung wurde nicht abgewartet, der Bau sofort begonnen und so eifrig gefördert, dass das Becken durch die Herbstfluten schon gefüllt werden konnte. Als die Genehmigung erfolgte und ein Regierungsbaumeister zur Bauleitung ernannt wurde, war das Becken gerade voll geworden und lief kräftig über. Herr Bürgermeister Sauerbronn wurde nun zum Herrn Regierungspräsidenten zur Aufklärung des Tatbestandes berufen, aber er verstand es meisterhaft, solche unabänderlichen Geschehnisse durch ein Achselzucken zu entschuldigen, mit dem Hinweis, dass die Bürgerschaft Wassernot hatte.
Durch den im Jahre 1894 erfolgten Anschluss der Stadt Lüttringhausen und später der Eisenbahn, die das zur Kesselspeisung geeignetere Talsperrenwasser ihrem eigenen Brunnenwasser vorzog, stieg der Wasserverbrauch im Jahre 1904 so sehr, dass der Wasserinhalt der Talsperre von 117 000 Kubikmeter nicht mehr ausreichen konnte, den Bedarf in einer sehr langen Trockenperiode zu decken. In der 6 Monate dauernden Trockenperiode des Jahres 1901 war der Wasservorrat bis zu 6000 Kubikmeter gesunken, so dass das Wasser nicht mehr einwandfrei war und man daran denken musste, eine Erweiterung der Talsperrenanlage vorzunehmen. Bei den nun folgenden Erwägungen der Stadtverwaltung mit den Sachverständigen über das Maß der notwendigen Erweiterung der Anlagen musste man naturgemäß die Entwicklung des Wasserbedarfs in der Zukunft abschätzen, man musste prüfen, ob es möglich sei, die vorhandenen Anlagen so umzubauen, dass in absehbaren Zeiten kein Wassermangel eintreten könne. Es wurde damals angenommen, dass in 20 Jahren der Wasserbedarf auf 500 000 Kubikmeter steigen würde, und dass man bei weiterer Entwicklung im benachbarten Feldbachtal eine neue Talsperre bauen könnte, deren Höhenlage so bemessen würde, dass eine Stollenverbindung beide Becken vereinigte. Die vorhandene Talsperre soweit zu erhöhen, dass die zur Verfügung stehenden Wassermengen des Panzertals voll ausgenutzt würden, war nicht möglich, da der linksseitige Bergabhang eine zu geringe Steigung hatte und der Felsuntergrund ungeeignet war. Es wurde nun beschlossen, eine Erhöhung der Talsperrenmauer um 3,25 Meter vorzunehmen und zur Erreichung der Stabilität 12 mächtige Pfeiler von je 3 Metern Breite und 8 Metern am unteren Vorsprung vorzubauen, die durch ein System von Verspannungsgewölben unter sich und mit der alten Mauer verbunden waren, so dass eine äußerst solide bogenförmige Verspannungskonstruktion zwischen den Felsabhängen des Tales entstand. Diese ganz neue, und bis damals in Europa nicht wiederholte und eigenartige Talsperrenkonstruktion fand den vollen Beifall des Ministeriums und wurde einschließlich eines Vorbeckens und Berieselungswiesen zur Vorreinigung des einfließenden Bachwassers im Herbst 1904 und im Jahre 1905 ausgeführt. Die Anlage bestand jetzt aus einem Hauptbecken von 300 000 Kubikmetern Wasserinhalt und 12 Meter Wassertiefe sowie einem Vorbecken von 30 000 Kubikmetern Inhalt mit 5 Meter Wassertiefe, dessen Wasserspiegel 2,5 Meter höher lag. Außerdem waren eine Überrieselungswiese und eine Wiese mit unterirdischen Filterröhren vorhanden, welche beide ein kleines Vorbecken hatten.
Hiermit war der mögliche Ausbau der Wassergewinnungsanlagen im Panzertal beendet, trotzdem wurde, nachdem der Wasserverbrauch durch weitere Anschlüsse von Born, Wermelskirchen, Hackenberg, Krebsöge und Wilhelmstal auf über 600 000 Kubikmeter gestiegen war, veranlasst durch das abnorm trockene Jahr 1911, der Versuch gemacht, eine weitere Erhöhung der Talsperrenmauer durchzusetzen, aber das Ministerium genehmigte die Anlage nicht, da es mit Recht annahm, dass der linke Berghang für eine sichere Anlage nicht geeignet war. Man einigte sich alsdann mit der Stadt Barmen über eine jährliche Lieferung von Leitungswasser aus der Kerspetalsperre, was leicht einzurichten war, da die Rohrleitung nach Barmen nur in etwa 2 Kilometer Entfernung an der Krebsöge vorbei ging. Die Pumpenanlage, die etwa 30 Meter tiefer als der neue Talsperrenwasserspiegel an der Krebsöger Straße lag, war durch die Steigerung des Wasserverbrauchs bis zum Jahre 1905 voll ausgenutzt und veraltet. Es wurde notwendig, die Anlage zu vergrößern und zu modernisieren. Man ging dazu über, elektrische Zentrifugalpumpen anzulegen, obwohl ein sachverständiges Mitglied des Stadtrats (Albert Schmidt) durch genaue Rentabilitätsberechnungen nachwies, dass der Betrieb der elektrischen Pumpen erheblich teurer als der Dampfbetrieb oder der Betrieb mit Dieselmotoren war. Es wurde nachgewiesen, dass ein vollkommen gleichmäßiger Betrieb wie bei einem Wasserwerk, dessen Pumpen immer die gleiche Wassermenge auf die gleiche Höhe zu heben hatten, durch elektrische Pumpen niemals so rationell sein könnte wie bei Dampfpumpen oder Pumpen mit Dieselmotoren, da ja die Elektrizität erst mit Dampf oder Dieselmotoren erzeugt würde und durch Leitung und Umformung ein großer Teil der Erzeugungskraft verloren ging. Aber die Opposition war erfolglos, die elektrischen Pumpen wurden angelegt, und es zeigte sich schon im ersten Jahr, dass man doppelt so viel an elektrischem Strom bezahlte als früher an Kohlen bei den veralteten Maschinen. Bei modernen Apparaten würde der Verlust noch sehr viel größer gewesen sein. Man kann annehmen, dass die unnötig vergeudeten Betriebskosten seit dem Jahre 1906 bis zur Übernahme des ganzen Wasserwerks im ganzen mindestens eine Million Mark betragen haben.
Die Talsperrenanlage hatte noch eine sehr wichtige Einrichtung. Man konnte das Vorbecken nach etwa eingetretener Verunreinigung unter dem Hauptbecken her durch eine Zementrohrleitung von 400 Millimeter Weite ablassen, ohne den Wasserinhalt des Hauptbeckens zu beeinträchtigen. Diese Rohrleitung wurde vor der Füllung des Hauptbeckens durch den Dirigenten des Wasserwerks ungewollt zerstört, weil er das Druckwasser eingelassen hatte, ohne den unteren Ablassschieber zu öffnen, wodurch die Luft entfernt und der Druck entfesselt werden konnte. Die zerstörte Leitung ist damals nicht erneuert worden. Durch die neue hohe Lage der Talsperre gegenüber der Pumpenanlage war insgesamt eine schöne Wasserkraft entstanden, wodurch man etwa 1/3 des damaligen Wasserbedarfs in die Hochbehälter pumpen konnte und deshalb 1/3 Stromkosten sparen konnte.
Um die Beimengung des Talsperrenwassers, wie Plankton und organische Reste, die zwar nicht gesundheitsschädlich, aber unangenehm waren, zu beseitigen, wurde eine Wormser Filteranlage angelegt, ein sogenannter Schnellfilter, der so eingerichtet war, dass man mit leichter Mühe durch Rückströmung von Wasser unter geringem Druck die Filterelemente reinigen konnte. Bei der ersten Reinigung ließ der Dirigent des Wasserwerks den vollen Druck der Leitung von 10 Atmosphären in die Filterelemente einströmen, wodurch sie von ihrer Unterlage gehoben und durcheinander geworfen wurden. Die zerstörte Anlage wurde leider nicht mit verhältnismäßig geringen Kosten ausgebessert, sondern eine neue Anlage daneben gebaut. Man hatte inzwischen einen neuen Wasserturm an der Kölner Straße bzw. Trecknase erbaut, um die Druckverhältnisse der südlichen Wasserleitung zu verbessern. Aber erst einige Jahre nach der Fertigstellung hat der Turm richtig arbeiten können, weil man erst dann dahinter kam, dass die Zu- und Abgangsrohre zum Turm zu eng waren. Es war deshalb zu begrüßen, dass die Stadt Barmen die ganze Anlage übernehmen wollte, weil sie durch ihre große Talsperrenanlage im Kerspetale imstande war, den sich immer weiter entwickelnden Wasserbedarf zu decken. Bei weiterer Entwicklung der Städte, die mit ihren Wasserleitungen an die Barmer Talsperre angeschlossen sind, werden ja auch diese Anlagen den gemeinsamen Wasserbedarf nicht mehr decken können, aber man wird dann mit sämtlichen Städten und Ortschaften des Bergischen Landes, soweit das Wuppergebiet reicht, sich zusammenschließen und die noch reichlich vorhandenen Hochwassermengen, die für die Industrie unbenutzbar sind, in weiteren Talsperrenanlagen aufspeichern und für Wasserleitungen ausnutzen.
Anm.: Die Darlegungen des Lenneper Baumeisters Albert Schmidt beruhen auf dem Kenntnisstand der beginnenden 1920er Jahre, einzelne für das Kreisblatt polemisch formulierte Thesen im Blick auf seinerzeit gemachte Fehler blieben damals nicht unwidersprochen, aber der Zeitungsbeitrag gibt insgesamt eine gute historische Schilderung der Entstehung der Lenneper Wasserversorgung und der Lenneper Panzertalsperre, die in der Literatur auch als Lenneper Talsperre oder Panzerbach-Talsperre bezeichnet wird.