Eine Lenneper Lehrerbibliothek

23 Oktober 2019 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Gerade, im jetzigen Jahre 2019, findet in Frankfurt am Main wieder einmal die jährliche Buchmesse statt, mit der auch ich lange durch die Präsenz des Bibliothekswesens beschäftigt war, u.a. mit Vorführungen moderner Methoden der Kulturgutsicherung, z.B. der Mikroverfilmung und später der Digitalisierung. In diesem Bereich war ich u.a. mit Pilotprojekten der VW-Stiftung und als Gutachter bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zwei Jahrzehnte tätig. Aber die Kulturgutsicherung findet ja gottseidank nicht nur durch die Erstellung von Surrogatformen des Buchgutes statt, sondern auch durch die Erhaltung der originalen Schriften und Bücher in unseren Archiven und Bibliotheken.

Abb. 1 Abb. 2
Die Lehrerbücherei des Röntgen-Gymnasiums diente in erster Linie den Lehrkräften zur Unterstützung der Unterrichtsvorbereitung und allgemeinen Weiterbildung. Aus diesem Grund waren wissenschaftliche Bücher sehr stark vertreten. Auch die z.T. sehr gediegenen Klassikerausgaben deutscher und ausländischer Dichter und Schriftsteller dienten diesem Zweck. Aus diesem Grund sollten die Materialien auch nicht an Schüler und Fremde ausgeliehen werden. Oben links sehen wir ein naturwissenschaftliches Buch über Versteinerungen aus dem Bestand der Vorgängerinstitution „Höhere Bürgerschule“ und rechts eine Romanausgabe aus dem Jahre 1845, die ursprünglich zur „Bücherei des Realgymnasiums“ in der Hardtstraße gehörte. Beide Bücher gingen in den Bestand der Lehrerbücherei am Röntgen-Gymnasium ein.

Eine der durchaus bedeutenden Lenneper Sammlungen dieser Art war die Lehrerbibliothek des Röntgen-Gymnasiums, mit einem Bestand aus vielen Jahrzehnten bzw. drei Jahrhunderten. In einer Schulgeschichte aus dem Jahre 1991 schrieb der damalige Oberstudienrat Manfred Frank dazu einen Beitrag, in dem es u.a. hieß: „Dieser Buchbestand, von Kennern und Freunden der Literatur, den Philologen der Vorgängerschulen des Röntgen-Gymnasiums durch Kauf, Bitte um Überlassung, Erbschaft oder Stiftung zusammengetragen und gehütet, ist gefährdet … Vieles musste die Bibliothek nach dem verlorenen Krieg aufgeben, weil auf Anordnung der Besatzungsmacht ein britischer Offizier die Säuberung von nationalsozialistischem Schrifttum angeordnet hatte. Auch danach haben Ahnungslosigkeit und Nachlässigkeit, verbunden mit Platzmangel, manche Lücke gerissen … Die Schulbibliothek des Röntgen-Gymnasiums darf wohl als die erschlossenste und am besten erhaltene weit und breit gelten. Sie spiegelt die verschiedenen Epochen der Geistesgeschichte von 18. bis ins 20. Jahrhundert wieder.“  Im Ergänzungsband dieser Schulgeschichte aus dem Jahre 1999 schrieb später der Herausgeber Dr. Michael Metschies: „Schließlich wäre zu prüfen, ob die alte Lehrerbibliothek des Röntgen-Gymnasiums es nicht verdient hätte, in ihrer Gesamtheit als bewegliches Denkmal eingestuft und in die Denkmalliste der Stadt Remscheid eingestuft zu werden.“

Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5
Die beiden Bücher links oben waren ursprünglich Eigentum der Höheren Töchterschule an der Lenneper Hardtstraße, später Lyceum. Das mittlere Buch wurde durch das spätere Röntgen-Gymnasium durch einen neuen zusätzlichen Stempel in den eigenen Bestand aufgenommen. Das Buch rechts aus dem Jahre 1934 ist ein Beispiel nationalsozialistischer Literatur, das als Roman nach 1945 die säubernde Ausmusterung überstand.

Wie sagte einst der Lateiner: „Habent sua fata libelli“, was so viel heißt wie: Auch Bücher haben ihre je eigene Geschichte und Schicksale. Und das liegt in unserer Zeit nicht etwa nur am modernen Desinteresse am Buch, sondern ganz prosaisch auch am Platzmangel in unseren Institutionen. Als ich Ende der 1990er Jahre hörte, dass aus diesem Grunde die traditionsreiche Lehrerbibliothek des Röntgen-Gymnasiums in Lennep aufgelöst und abgeschafft werden sollte, da kam ich als ehemaliger Absolvent der Schule in Frankfurt am Main auf die Idee, wenigstens einen Teil davon zu retten und für zukünftige Zeiten verfügbar zu machen, und zwar mithilfe des nationalen Programms der „Sammlung deutscher Drucke“.  Die Sammlung Deutscher Drucke (SDD) bezeichnete einen Zusammenschluss großer deutscher Bibliotheken in einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel, eine möglichst vollständige Sammlung der gedruckten Werke des deutschen Sprach- und Kulturraums vom Beginn des Buchdrucks bis heute aufzubauen, zu erschließen, sie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und für künftige Generationen zu bewahren. Die Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek, in der ich u.a. für solche Angelegenheiten verantwortlich war, war seinerzeit in diesem Projekt für den Zeitraum 1801-1870 zuständig. Was lag also näher, auch in der Lehrerbibliothek des Lenneper Röntgen-Gymnasiums nach einschlägig brauchbaren Büchern zu suchen. In den Kellerräumen wurde also nach potentiellen Kandidaten für das Projekt gefahndet, die durch jahrelangen Nichtgebrauch verdreckten Regalbretter wurden für die Auswahl der verstaubten Bücher mit Fettstift vormarkiert, und nach Absprache mit der Direktion rollten an einem Samstag aus Frankfurt zwei Sprinterautos mit rund sechs Mitarbeitern zum Abtransport an. Obwohl die Aktion einschließlich des Kaufpreises mit dem Kulturdezernat der Stadt Remscheid vereinbart war, gab es dennoch in der Schule, besonders natürlich in der Lehrerschaft, über die Abgabe deutlichen Unmut, und noch Jahre danach, als ich zum 40jährigen Abitur zu einem Treffen nach Lennep angereist war, äußerten sich einige Altvordere entsprechend negativ. Aber wie dem auch sei, hier gilt es den Aspekt hervorzuheben, dass die hier in Frage stehenden Buchmaterialen gerettet und im Original für die Zukunft verfügbar gemacht werden konnten.

Abb. 6 Abb. 7
Die Pflege der heimischen Dichtung war natürlich auch vor und ohne den Nationalsozialismus in den Schulen Pflicht. Auch das Werk oben links aus dem Jahre 1925 machte dabei historisch einen Besitzerwandel durch. Weit ins 19. Jahrhundert zurück gehen Ludwig Börnes „Briefe aus Paris“, hier ein Original aus dem Jahre 1832. Oben rechts sieht man wie bei allen „eingearbeiteten“ Büchern bibliothekarische Zugangs- bzw. Systematiknummern.

Aber wie komme ich mit diesem heutigen Rundbrief überhaupt auf dieses Thema? Nicht nur wegen der diesjährigen Buchmesse! Beim Räumen meiner Archivmaterialien, von denen ich mich jetzt nach und nach trennen will, stieß ich u.a. auf einen alten Schuber aus der Lehrerbibibliothek des Röntgen-Gymnasiums, aus Karton und mit schwarzem Papier bezogen. Ich hatte ihn wohl lange übersehen. Dieser Schuber enthielt zahlreich bergisches Kartenmaterial aus dem 19. Jahrhundert, u.a. von der „Karten-Vertriebsstelle Coblenz der Kgl.-Preuß. Landesaufnahme“. Die einzelnen Karten trugen die Besitzstempel der historischen Lenneper Schulen, deren Bibliotheksmaterial nach und nach in das Eigentum des späteren Röntgen-Gymnasiums übergegangen waren, von der alten Bürgerschule an der Schwelmer Straße über das Real-Gymnasium und die Höhere Töchterschule bzw. Lyceum an der Hardtstraße usw. Bei den oben erwähnten Abgabebüchern war es ja ebenso, und ich hatte seinerzeit bereits ein paar Scans von Titelseiten und Stempeln für eine spätere historische Erinnerung gemacht. Da kam denn jetzt die Idee, diesen historischen, auch ästhetisch ansprechenden Schatz meinem Verteilerkreis nicht vorzuenthalten. Und darum wird er jetzt hier und heute präsentiert, verbunden mit einem Lenneper Gruß wohin auch immer in der Welt, zur Buchmesse und zum Wochenende.

Und hier noch ein Potpourri der historischen Landkarten, die ich neulich wie erwähnt in einem alten vergessenen Schuber fand. Auch sie sollen natürlich einen bleibenden Archivplatz erhalten, nicht eigentlich wegen ihrer Karten, sondern wegen ihrer sichtbaren Zugehörigkeit zu der vergangenen Lenneper Schulbibliothek des Röntgen-Gymnasiums, deren älteste Exemplare noch ins 18. Jahrhundert zurückreichen und heute wertvolle historische Ausgaben beinhalten. Ein paar Jahre nach der Auflösung der Lenneper Lehrerbibliothek erstand ich in einem bergischen Antiquariat noch ein Buch meines Urgroßvaters über „Die Wupper“, natürlich aus der Lenneper Lehrerbibliothek. Man sieht also, auch Bücher haben ihre Geschichte, und manchmal kehren sie auf Umwegen an ihren Ursprungsort zurück.

Abb. 8

Abb. 9 Abb. 10

Oben: Titelblatt von einem historischen Schul – Atlas mit der Zueignung des seinerzeit bekannten Schulprofessors Hermann, nach dem heute in der Nähe des Röntgen-Gymnasiums ein Platz benannt ist. Unten:  Weitere Beispiele aus der Lehrerbibliothek des Lenneper Röntgen-Gymnasiums aus alter und neuer Zeit.

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