Der Lenneper Schellenberg

30 November 2020 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Nach dem Lindenberg und dem Gartenberg in Lennep wenden wir uns heute dem Lenneper Schellenberg zu. Der Begriff ist den Lennepern ja bekannt, da vom Alten Markt ausgehend zum heutigen Mollplatz hinauf eine Straße „Am Schellenberg“ heißt, womit angedeutet ist, dass sie an diesem liegt bzw. diesen Berg hinauf verläuft. Wie schon bei den vorangegangenen Beiträgen zum Lindenberg und Gartenberg stützt sich die Darstellung auf Niederschriften des Heimatforschers Paul Windgassen, die streckenweise mit den schriftlichen Erinnerungen des Lenneper Baumeisters Albert Schmidt identisch sind, die in den 1920er Jahren im Lenneper Kreisblatt abgedruckt wurden.

Abb. 1 Abb. 2
Abb. 1 Historische Postkartenansicht der Straße „Am Schellenberg“.  Abb. 2 Situationsplan des Lenneper Schellenberges zwischen Poststraße und Gartenstraße von Albert Schmidt aus dem Jahre 1875. Die Bergisch-Märkische Eisenbahn ist schon da, ebenso die Villen an der oberen Poststraße, man erkennt auch den früheren Sammelteich im Hardtschen Garten sowie den uralten, in Hagers Gässchen nach links abknickenden Weg vom Mollplatz über die Gartenstraße und Karlshöhe in Richtung Hohenhagen bzw. Remscheid. Die Elberfelderstraße ist die heutige Lüttringhauser Straße.

Bei Windgassen, dessen Materialien heute im Remscheider Stadtarchiv archiviert sind, heißt es: Im Anschluss an den Gartenberg nach Westen liegt vom Markt her gesehen der von den Lennepern früher so genannte Schellenberg. Er wird auf der einen Seite von der Straße „Am Schellenberg“ und der „Knusthöhe“ bzw. „Lüttringhauser Straße“ begrenzt, auf der anderen Seite von der „Sackgasse“ bzw. „Greuelgasse“ hinauf bis zur Karlshöhe. Hier entspringt unterhalb des früheren Schlacht- bzw. Milchhofes der westliche Quellbach des Lennepe Baches. Ältere Zeitgenossen erinnern sich noch, dass hier bis nach dem Zweiten Weltkrieg noch das Kohlenlager der Firma Friedrich Kuhstoß lag. Der Quellbach lief früher als offener Bachlauf zur unterhalb liegenden heutigen Gartenstraße, diese Straße, eine Eisenbahn und ihre spätere Unterführung gab es damals noch nicht.  Von dort gelangte das Wasser in den Garten des Rats- und Gerichtsschöffen Johann Wilhelm Paas (später Arnold Hardt) in einen hinter dem Wohnhaus Poststraße 9 liegenden Sammelteich. Der Überlauf dieses Teiches, der später zugeschüttet wurde, lief weiter über die heutige Poststraße in den sog. Pörtzches Teich, der unter dem 1927 abgebrochenen Spritzenhaus lag. Eine kleine Grünfläche ist heute darüber angelegt. Seinen Namen hatte der Teich von einer kleinen Pforte oder Pförtgen hier in der alten Stadtmauer.

Abb. 3 Abb. 4
Abb. 3 Blick von der evang. Kirche hinab auf das Areal zwischen der Barmer Straße (heute Am Schellenberg) und der Neugasse. Über das „Lüttringhauser Tor“ (später Kaiserplatz und heute Mollplatz) geht der Blick die Elberfelder (heute Lüttringhauser) Straße hinauf. Ganz oben links unter der Hausnummer 18 als großer Block die Villa des Tuchfabrikanten Rudolf Hardt Jr.  Abb. 4 Vom Dach dieser Villa fotografierte der Lenneper Buchhändler Richard Schmitz 1887 über die dortige Orangerie hinweg den Schellenberg hinab über die entstehende Gartenstraße in Richtung Stadtkern. Man erkennt den Berliner Hof, links langestreckt das Stallgebäude der ehemaligen Pferdepost (später Lebensmittel Heyer) und darunter die Kaiserlich-Königliche Postanstalt (später Polizei), in der Mitte das Anwesen des Schmieds Hager im Bau sowie rechts oben hinter der späteren Gärtnerei Schneppendahl das steinerne Geburtshaus von Albert Schmidt an der Poststraße 8.

Ein Überlauf dieses Teiches führte sein Wasser durch die Sackgasse über den Markt und Kronenstraße. In der Kölner Straße vereinigte er sich mit dem östlichen Quellbach, und beide liefen weiter in den alten Schlammteich unterhalb des späteren Hallenschwimmbads, der außerhalb der alten Stadtmauer lag. Ein zweiter Überlauf des Pörtzches Teiches lief über die heutige Poststraße in den später überwölbten Brandteich auf dem heutigen Bismarckplatz, der auch „Schürmanns Teich“ oder „Brandteich vor dem Cölner Tor“ genannt wurde. Von hier aus lief das Wasser längs der heutigen Wupperstraße, früher hieß diese lange Zeit Steinstraße, in die Wiesen, die vor Anlage der Wupperstraße nahe dem späteren Holzplatz der Firma Wender & Dürholt lagen.

Abb. 5 Abb. 6
Abb. 5 und Abb. 6 Die sog. Sackgasse und die daneben liegende Greuelgasse führen aus dem Marktareal den Schellenberg hinauf. Die heute manchmal irritierenden Bezeichnungen beruhen auf historischen Gemarkungs- bzw. Familiennamen und führen oben zum genannten Pörtzchesteich, der Jahrhunderte lang der Wasseraufnahme durch die Feuerwehr diente. Im Blick nach unten ist meist die evangelische Stadtkirche malerisch mit im Bild, weswegen beide Sträßchen schon lange und immer wieder zu Ansichtskartenzwecken dienen.

In der Mitte des Schellenberges lag der große Platz „vor dem Lüttringhauser Tor“, zwischenzeitlich Kaiserplatz und heute Mollplatz. Der östliche Teil war schon früh bebaut. An der Stelle des Denkmals von 1889 standen hier in alten Zeiten mehrere Wohnhäuser und kleine Fabriken. Der Fahrweg um die Stadt, heute „Am Thüringsberg“, war damals tiefliegend und sehr schmal. Gegenüber des Lebensmittelgroßhandels von Thomas an der Ecke zur heutigen Lüttringhauser Straße stand das Anwesen von Martin Käsmacher, der hier eine Badeanstalt betrieb. Er empfahl sich mit kalten, warmen, Dusch-, Stahl-, Salz- und anderen Bädern. Später war dort die Wirtschaft von Tacke mit Nebenhaus und Hofraum, dahinter ein kleines Wohnhaus mit Färberei und ein Wolllager. Das Wirtshaus mit angebautem Nebenhaus lag in der heutigen Straßenfläche, so dass der Eingang zum heutigen Thüringsberg nur die Hälfte der heutigen Breite hatte. Anfang der 1860er Jahre brannte das Wirtshaus mit Nebenhaus ab., so dass die Straße verbreitert werden konnte. Die Färbereianlage und das Wolllager wurden für die Anlage des Kaiserdenkmals im Jahre 1888 angekauft und abgebrochen, ebenfalls das daran anschließende Wohnhaus von Johann Wilhelm Strohn, der unterhalb zum Gänsemarkt hin seine Fabrik hatte.

Abb. 7 Abb. 8
Abb. 7 An der oberen, nordöstlichen Poststraße siedelten sich nach und nach mehrere Fabrikanten mit ihren Villen an. Sie waren im Gegensatz zu denen am unteren Teil der Straße nicht mehr ursprünglich mit Betriebsstätten und Lagerhallen verbunden. Die Bebauung erfolgte ab Mitte der 1830er Jahre vor allem auf Grundstücken der Familien Hilger, Hardt und Hölterhoff. In der Mitte der Abbildung sieht man die 1858 erbaute Villa der Familie Daniel Hilger, die später an den Industriellen Fritz Hardt d.J. überging.  Abb. 8 Die Poststraße gehörte seinerzeit mit der Alleestraße, später „Am Thüringsberg“, zum Speckgürtel der Stadt und nahm ihren Anfang mit der Hausnummer 1 am Kaiser- bzw. Mollplatz (rechts).

Die heutige Poststraße war ebenfalls ein ausgetretener Hohlweg, der sich bis zum Kölner Tor am heutigen Bismarckplatz hinzog und in alten Karten mit dem Thüringsberg als Seitenarm der Köln-Berliner – Staatsstraße bezeichnet wurde. Das Hotel Berliner Hof entstand wie auch die weiteren alten Gebäude am heutigen Mollpatz um 1830. Auf dem großen Platz vor dem Lüttringhauser Tor soll im Mittelalter das sogenannte Tirvelshäuschen gestanden haben, später auch Drieselhäuschen genannt, in dem Schwerverbrecher öffentlich ausgestellt wurden. Das Häuschen, ein Käfig aus Eisen oder Holzstäben gebaut, konnte nach allen Himmelsrichtungen gedreht werden. Der Verbrecher konnte sich deshalb nicht verstecken, er konnte von allen Seiten gesehen werden.

Abb. 9 Abb. 10
Abb. 9 Blick vom Kaiserplatz (heute Mollplatz) den Schellenberg hinauf zur Lüttringhauser Straße. Das sog. Thomas´sche Haus oberhalb des Kaiserdenkmals von 1889 beherbergte damals eine „Restauration zu Post“. Das Postgebäude lag gegenüber, und sie ergänzte und ersetzte im letzten Drittel des 19. Jh. die darüber liegende alte Pferdepoststation. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war hier dann die Lenneper Polizeistation untergebracht Das Kaiserdenkmal wurde in den 1930er Jahren erheblich verkleinert und nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach beseitigt. Abb. 10 Die Elberfelder Straße, heute Lüttringhauser Straße, führte seit 1849 aus der Stadt Lennep hinaus. Sie sollte als Umgehungsstraße den beschwerlichen Weg über die Knusthöhe ersetzen und folgte teilweise der uralten Englinghauser Gasse. Auf der vorliegenden Abbildung sind u.a. die Schienen der 1907 eingeführten Straßenbahn von Remscheid über Lennep nach Lüttringhausen zu sehen.             

Das heutige Wohnhaus Mollplatz 2 (seit 1928 mit dem Beerdigungsinstitut Stemplewski) gehörte früher dem Tuchfabrikanten August Walter (1821-1896). Es lag wie der Berliner Hof vor dem Lüttringhauser Tor. Letzteres, aus dicken Quadersteinen erbaut, wurde nach dem endgültigen Fall der Stadtmauer und Stadttore im Jahre 1815 abgebrochen. Nach den Aufzeichnungen des Baumeisters Albert Schmidt entstanden alle direkt am heutigen Mollplatz liegenden Gebäude in den 1820er Jahren bis 1830.

Mit den Steinen der alten Stadtmauer und des Lüttringhauser Tors pflasterte man die „Cöln – Berliner – Staatsstraße“, die zuvor nur aus einem schmalen ausgefahrenen Weg bestand. Auch im Berliner Hof zur Neugasse hin sollen der Überlieferung nach derartige Gesteinsreste verarbeitet sein. Gegenüber dem Berliner Hof entstand damals das Haus Poststraße 1 (später Mollplatz 7), das im 19. Jh. nacheinander mehreren Industriellen und Kaufleuten wie Luckhaus und Springmann, u.a. auch dem  Spinnereibesitzer Albert Karsch (1810-1868) gehörte. Im Revolutionsjahr 1848 tagte hier in den Sälen im ersten Stock eine bürgerliche Revolutionsgesellschaft. Im Jahre 1910 erwarb der Reg.- Baumeister a.D. und Lenneper Baumeister Arthur Schmidt das große Anwesen für seine Familie. Rechts daneben an der Ecke zur heutigen Lüttringhauser Straße lag im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Königliche Postanstalt (später Lenneper Polizei) und nach oben anschließend die noch weit ältere Posthalterei, mit mehreren Gebäuden für den Pferdebetrieb und die Übernachtungsmöglichkeiten für die Kutscher (später Fuhrgeschäft Figge und Lebensmittelgeschäft Heyer).

Abb. 11 Abb. 12
Abb. 11 Wie schnell sich im 19. Jh. Lenneps Stadtentwicklung vollzog, dies sieht man der heutigen Kindergartenanlage an der Lüttringhauser Straße 21. Die Villa wurde 1866 (Anbau 1867) von Albert Schmidt für die Familie Wilhelm Hilger erbaut und ging später auf die Familie Hermann Mühlinghaus über. Abb. 12 An der Lüttringhauser Straße endete der bebaute westliche Teil des Lenneper Schellenbergs früher lange Zeit mit der Restauration von Engelbert Kuhstoß. Nach links ging´s bergab nach Diepmannsbach. Der weitere seinerzeit unbebaute Weg nach Lüttringhausen zeigt sich heute nicht mehr so ländlich, auch wenn dort inzwischen ein Gartencenter angesiedelt ist.

Über den Lenneper Schellenberg ging ein uralter Weg von Lennep nach Remscheid. Er führte zunächst vom Markt die heutige Neugasse aufwärts quer über den Mollplatz ungefähr bis zur Mitte von Hagers Gässchen. Weiter führte er dann schräg über die damals noch nicht existente Gartenstraße hinauf bis zur Karlshöhe, auf der später Büro und Lager der Baufirma Schmidt entstanden. Unterhalb dem Westerholt ging es weiter nach dem Hohenhagen. Die heutige Schlachthofstraße und die Gartenstraße wurden erst beim Bau der Eisenbahn von Rittershausen über Lennep nach Remscheid angelegt. Die meisten Wohnhäuser in dieser Gegend entstanden erst nach dem fast gänzlichen Fall der Stadtmauern um 1815 und nach der Anlage der Eisenbahn ab 1867 (Eröffnung 1. September 1868).

Abb. 13 Abb. 14
Abb. 13 Vergängliches. In Lennep wurde gebaut und in Lennep wurde abgerissen, oft aufgrund der Kriegseinwirkungen vor 1945. Das in den 1820er Jahren entstandene große Fachwerkhaus gegenüber dem Berliner Hof wurde 1970 beseitigt, weil es zu sehr in die Poststraße bzw. den Mollplatz hineinragte. Dabei war bereits Anfang der 1960er Jahre das untere Stück des früheren Rosengartens abgetragen und zu einer Bushaltestelle verändert worden. Dass ein derartiges Gebäude heute noch so ohne weiteres vernichtet werden könnte, ist zweifelhaft. Abb. 14 Ähnlich erging es der historischen Villa von Rudolf Hardt an der Lüttringhauser Straße 18, die im Zweiten Weltkrieg stark getroffen wurde. Eine Nachbarin fotografierte den Rest kurz vor dem Abriss.

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