Der Lenneper Lindenberg

19 Oktober 2020 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Die folgenden Zeilen wurden veranlasst durch einen Text im Nachlass des Handelskapitäns a.D. Paul Windgassen (1888-1965) aus Lennep. Der historisch sehr interessierte Windgassen, nach dem Ersten Weltkrieg als Handelskapitän aufgrund der internationalen Bestimmungen arbeitslos, wurde von der Stadt Remscheid eine Zeit lang u.a. als Museumswart im Röntgenmuseum und für das Lenneper Stadtarchiv beschäftigt. Er zeichnete zudem für eine Geschichte des Röntgengymnasiums sowie der Lenneper Lateinschulen verantwortlich, und er verfasste mehrere Aufsätze zu Lenneps umgebenden Anhöhen, u.a. zum Lindenberg nahe der Kölner Straße. Die handschriftlichen Aufzeichnungen befinden sich heute im Remscheider Stadtarchiv. Windgassens historische Arbeiten fußen u.a. auch auf den damals nur z.T. bekannten Erinnerungen des Lenneper Baumeisters Albert Schmidt (1841-1932), die er übernahm, kommentierte, mit Bildmaterial versah und mit eigenen Erkenntnissen erweiterte. Der folgende Beitrag gibt, für die heutige Zeit bearbeitet, beider Bemerkungen zum Lenneper Lindenberg wieder: Zunächst Paul Windgassen:

Das Areal zwischen Kölner- und Leverkuser Straße aufwärts nannte man früher in Lennep den Lindenberg. Auf dem höchsten Punkt, auf 341 m Höhe stand lange Zeit ein altes Wahrzeichen: die alte (zweite) Lenneper Windmühle. Der große, mächtige Bau, in den man mit Pferd und Wagen hineinfahren konnte, lag an der Ecke von Friedrich- und Albertstraße. Auf einer Ansicht von Lennep vom Jahre 1824 von C.W. Sennewald sieht man die alte Windmühle deutlich links von der damaligen „Cölner Landstraße“, in gleicher Höhe mit den Häusern des Bereichs „an der Glocke“.

Abb. 1 Abb. 2
Abb. 1: Auf der Abbildung von Sennewald sieht man die Mühle deutlich. Abb. 2: Ausriss eines amtlichen Lenneper Übersichtsplans um 1925. Die Straßennamen veränderten sich 1929 z.T. durch die Eingemeindung nach Remscheid. Das Areal „auf´m Lindenberg“ ist eingezeichnet.

Genannte Mühle wurde in den Jahren 1871/72 von der Firma des Baumeisters Albert Schmidt abgebrochen. Außer zwei kleinen Häusern in der verlängerten Friedrichstraße war der Lindenberg damals noch unbebaut. Der Ausbau des Straßennetzes auf dem Lindenberg erfolgte erst nach dem Bau der Eisenbahn 1867, der zu einer erheblichen Stadterweiterung führte. Es entstanden die Ernst- (später Eugenstraße), die Albertstraße, die Mittelstraße (später: Am Johannisberg bzw. Rotdornallee) sowie die Leverkuser Straße, weiterhin die Hermann-, Sauerbronn-, Ringel- und Ringstraße. An öffentlichen Gebäuden wurde das Kreishaus 1889 eingeweiht, die Winterschule 1888, (später Hilfsschule Leverkuser Straße), das Eisenbahnbetriebsamt in der  Leverkuser Straße, das Reichsbankgebäude, das Säuglings- und Schwesternheim der Frau Kommerzienrat Hermann Hardt, geb. Fuhrmann, in der unteren Sauerbronnstraße, sowie die evangelischen Schulen System I und System III an der Kölner Straße.

Abb. 3 Abb. 4
Abb. 3: Das Lenneper Kreishaus auf einer Ansichtskarte um 1900. Abb. 4: Die Lenneper Schule System 1 an der Kölner Straße 71 auf einer colorierten Ansichtskarte.

In der Ernststraße (später Eugenstraße) entstand damals zudem die Eisengießerei von Ernst Temsfeld und an der Leverkuser Straße die Maschinenfabrik von Friedrich Haas (zuvor Ecke Hackenberger / Schwelmer Straße) sowie die Barmer Maschinenfabrik BARMAG. An der Ringstraße errichteten Heinrich Wolff eine Gießerei und Karl Offermann eine Feilenfabrik, und an der Südstraße, heute Franz-Vogt-Straße, entstand die Gesenkschmiede Gebr. Brüninghaus.

Abb. 5 Abb. 6
 Abb. 5: Briefkopf der Maschinenfabrik Friedrich Haas, Leverkuserstraße (vormals Schwelmer Straße),  Abb. 6: Ansichtskartenwerbung der Firma Carl Offermann, Ringstraße  bzw. Franz-Vogt-Straße.                                             

Der Errichtung der oben genannten Werke folgte dann der städtische und private Wohnungsbau. In Gemeinschaft mit der Stadt Lennep wurde im Jahre 1886 die Gemeinnützige Bauverein AG ins Leben gerufen. Ganze Straßenzüge wurden mit immer weiter verbesserten Wohnungen errichtet. Auf Wunsch wurden jedoch auch Häuser an Mieter verkauft, um aus dem Erlös immer wieder neue Wohnungen zu schaffen. Durch die Geldentwertung im Jahre 1923 allerdings war der Verein gezwungen, 45 Zwei- und Dreifamilienhäuser mit 120 Wohnungen an die Stadt abzugeben, um sie der heimischen Bevölkerung zu erhalten. Der Verein hat aber entsprechend seiner Überlieferung den Neubau von Wohnungen tatkräftig weiter gefördert.

Abb. 7 Abb. 8
Abb. 7: Historische Aufnahme von typischen Bauten des Lenneper Gemeinnützigen Bauvereins (Nachlass Baumeister Arthur Schmidt) in der Lenneper Neustadt. Der Baumeister setzte im Bauverein die Arbeit seines Vaters Albert Schmidt fort, nach dem hier im Viertel die Albertstraße benannt wurde. Abb. 8: Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, der in der Lenneper Neustadt samt Industriegebiet viel zerstörte. (Seite aus einer Bauvereins-Festschrift aus dem Jahre 1963).                                                                                                         

Paul Windgassen schließt seine Bemerkungen zum historischen Lindenberg in Lennep mit folgenden Worten: „Aber auch viele Privatleute erbauten sich hier ein neues Heim, und so hat sich auf dem noch in meiner Jugend unbebauten Lindenberg ein neuer schöner Stadtteil entwickelt“. Der genannte Stadtteil, oftmals einfach Lenneper Neustadt genannt, existiert natürlich auch heute noch, auch wenn er sich nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem wegen der Schäden, die durch das alliierte Bombardement hier hervorgerufen wurden, deutlich verändert hat. Manche Mietskasernen sind im Prinzip so geblieben wie zu der Zeit, als sie erbaut wurden, andererseits wird so manches seinerzeit modern gestaltetes Anwesen oder Straßeneckchen pittoresk erhalten und laufend verschönert. Bei den historischen Gebäuden fragt sich der Vorübergehende heute manchmal, welchen Zwecken sie früher wohl gedient haben mögen.

Abb. 9 Abb. 10
Abb. 9: Ecke Friedrichstraße und Hermannstraße in Lennep. Abb. 10: Ecke Hermannstraße und Sauerbronnstraße in Lennep. Mancher historische Bau existiert noch heute, allerdings in sehr veränderter Form.

Der Lindenberg – Diese Lenneper Bezeichnung des von Paul Windgassen eingangs beschriebenen Areals zwischen Leverkuser und Kölner Straße zur sog. Trecknase hin ist heute weitgehend vergessen. Ebenso die dortige Windmühle, die auf alten historischen Stadtbildern den Weg nach Remscheid wies. Wenig Informationsmaterial ist über diese Lenneper Windmühle erhalten geblieben, und wir wüssten davon noch weniger, wenn nicht der von Paul Windgassen erwähnte Lenneper Baumeister Albert Schmidt im Jahre 1922 darüber im Kreisblatt geschrieben hätte. Im Jahre 1841 geboren, hatte er diese Windmühle als Kind und Jugendlicher selbst noch gut gekannt, und als er später davon berichtete, kamen natürlich die bautechnischen Aspekte dabei nicht zu kurz, wodurch wir heute zumindest in dieser Hinsicht ein anschauliches Bild dieses Bauwerkes haben, das auf historischen Zeichnungen eher skizzenhaft undeutlich sowie nicht um seiner selbst willen mit abgebildet ist.

Abb. 11 Abb. 12
Dass die Lenneper Neustadt nicht nur dem sozialen Wohnungsbau diente, dies sieht man an historischen Aufnahmen der Sauerbronnstraße und Ringelstraße in Lennep. Hier konkurrierten die Lenneper Architekten u.a. mit „Neubauten im Altbergischen Styl“ und die Firma Wender & Dürholt setzte ihre teuren und bis Moskau und New York patentierten Lenneper Fenster ein. Aber auch hier riss der Zweite Weltkrieg so manches große Loch. Die übrig gebliebenen Häuser sind heute meist gut restauriert.

Zu guter Letzt geben wir hier noch die Beschreibung der Windmühle durch den Lenneper Baumeister Schmidt wieder: „Die Windmühle auf dem Lindenberg war noch bis Mitte der 1850er Jahre in Betrieb, dann musste sie der neuen Zeit weichen, sie konnte bei ihrem immer wieder unterbrochenen Betrieb mit den gleichmäßig arbeitenden Dampfmühlen nicht konkurrieren. Der Standort der Windmühle war an der höchsten Stelle der Friedrichstraße, dicht hinter der südlichen Häuserreihe zwischen Albert- und Leverkuser Straße. Das mächtige Gebäude bestand aus einem runden massiv aus Bruchsteinen erbauten Turm von etwa 8 Meter Durchmesser und 20 Meter Höhe, mit einem drehbaren Dach, aus welchem die Flügelwelle hervorragte. Der innere Turm war von einer ebenfalls runden Terrasse von etwa 18 Meter Durchmesser und 7 Meter Höhe umgeben. Auch diese Terrasse war massiv aus Bruchsteinen erbaut, sie war zweistöckig und enthielt die Wohnräume des Müllers, die Lagerräume und in der Mitte das Mühlengetriebe. An der Nordseite nach der Friedrichstraße hin, die damals noch ein Hohlweg war, ging eine breite Einfahrt in das Mühlengebäude. Die Wagen konnten quer durch das ganze Gebäude fahren und in der Mitte unter dem Mühlengetriebe ent- und beladen werden. An den dicken Mauern des inneren eigentlichen Mühlenturmes war eine massive Wendeltreppe angebracht, durch welche die sieben Stockwerke des Bauwerks erreichbar waren. Die Mahlgänge und das Lager des Königsbaums, der mittleren senkrechten Welle des Mühlengetriebes, lagen auf einem Gebälk von Eichenholz in einer solchen Höhe, dass die Wagen unten durchfahren konnten. In dem drehbaren Dachraum waren die konischen Triebräder angebracht, die die rotierende Bewegung der Flügelwelle auf die senkrechte Königswelle übertragen mussten. An der Flügelwelle waren vier große Flügel angebracht von etwa 10 Meter Länge und 1 Meter Breite, deren Spanntuch durch einen Zugmechanismus verbreitert oder schmaler gemacht werden konnte, so dass bei Sturm oder starkem Wind eine geringe Druckfläche und bei geringerer Windgeschwindigkeit größere Flächen wirksam waren. Die Flügel waren von der Terrasse aus erreichbar und wurden dort immer nach der Windrichtung hingedreht.“

Abb. 13
Mit unserer letzten Abbildung kehren wir noch einmal in das alte Lennep zurück. Auf der Zeichnung des Lenneper Baumeisters Albert Schmidt (1841-1932), der sich Zeit seines Lebens mit meteorologischen Fragen beschäftigte, was hier durch die gestrichelten Angaben für das Lenneper Niederschlagsgebiet deutlich zu erkennen ist, sind u.a. die den Stadtkern Lenneps umgebenden Anhöhen oder Berge eingezeichnet, nämlich der Gartenberg, der Schellenberg und der Johannisberg, am unteren Rand eben auch der Lindenberg, das Thema unserer heutigen Vergegenwärtigung, sowie die erwähnte Windmühle. Die Straßenverhältnisse und die Namen sind heute z.T. verändert, und die meisten heutigen Lenneper wissen von der ehemaligen Windmühle nichts. Darum erscheint es gut, wenn historisch Interessierte hin und wieder darauf zurückverweisen, „wie es früher war“.

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