Am Lenneper Bismarckplatz

15 August 2011 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Neulich wurde eine Anfrage an mich weiter geleitet, die sich auf den Lenneper Bismarckplatz bezog. Ein Spezialist, der schon mehrere Bücher über Bismarckdenkmäler in ganz Deutschland geschrieben hat, war wohl im Internet auf eine historische Mehrbildpostkarte von Lennep gestoßen, die unter anderem ein Foto zeigt, das mit der Bildunterschrift Bismarckdenkmal bezeichnet wurde. Seine Frage war also, ob am Bismarckplatz ein solches Denkmal steht oder zumindest dort gestanden hat.

Neben den vielen Bismarcktürmen, der Remscheider wurde im Jahre 1901 eingeweiht, gab es ja in der einschlägigen Zeit auch Bismarckstelen, Gedenksteine oder Steintafeln, die an den berühmten deutschen Politiker erinnern sollten. Heute werden diese Denkmäler in der Regel nicht wegen der Erinnerung an den Preußischen Politiker erhalten und restauriert, sondern weil sie so schön einen aus Naturstein erstellten Aussichtsturm vorstellen oder in einen riesigen Findling bzw. eine ganze Findlingskomposition integriert sind, was alles auch ohne ein spezielles Bismarckgedenken Eindruck macht. Aus dem Remscheider Bismarckturm wurde bekanntlich eine Sternwarte. Mir war bei der Lektüre der Anfrage durchaus klar, dass es in Lennep vor Ort niemals ein wie immer geartetes Bismarckdenkmal gab, vielmehr wurde ein anderer Tatbestand aus meinem Hinterkopf immer mehr präsent: dass es nämlich im postalischen Sinne oder unter dem Gesichtspunkt der Lenneper Straßenbezeichnungen, obwohl unter Straßenverzeichnis.de als Bushaltestelle recherchierbar, überhaupt gar keinen Bismarckplatz gibt. Der Bismarckplatz ist sozusagen als Ganzes, als ein geographisches und architektonisches Ensemble, ein Denkmal für den „Alten aus dem Sachsenwald“, der die deutsche und europäische Geschichte so nachhaltig beeinflusst hat. Die Apotheke Am Bismarckplatz liegt denn auch an der Poststraße 15 und die Gaststätte zum Bismarckplatz an der Kölner Straße 25. Wenn man sich die alten Fotos und die zahllosen Postkarten anschaut, die den Bismarckplatz etwa um 1910 zeigen, dann kann man durchaus zu dem Eindruck gelangen, dass dieser unter den öffentlichen Plätzen der Kaiserzeit in Lennep der schönste war, denn in seiner Glanzzeit wirkte der Bismarckplatz nicht nur durch die umgebenden historischen Bauten, sondern durch ein Konglomerat sowohl nützlicher wie auch im Einzelnen sehr schöner Komponenten wie z.B. einem wunderschönen Brunnen, einem hölzernen Wartehäuschen sowie je einem Milch- und Wasserhäuschen. Das Gesamtareal lag, zumindest was seine Grenze zu Kölner Straße anbelangt, immer schon an einer sehr wichtigen Verkehrsader, als aber im ersten Drittel des 19 Jahrhunderts die Poststraße entstand, vermehrte sich die Verkehrswichtigkeit noch weiter. Trotzdem fiel das Grundstück noch lange Zeit in Richtung Kölner Hof unspektakulär und unarrondiert ab, und es gibt noch Fotos aus der Zeit der Jahrhundertwende, die dort einen Gemüsegarten zeigen, Erst später wurden hier geordnete Blumenrabatte angelegt und der Löwenbrunnen stammt aus einer noch späteren Zeit.

Die Poststraße war einerseits eine Art Umgehungs- und Entlastungsstraße zur Vermeidung der Fahrt durch die Lenneper Altstadt, zum anderen aber entstand hier durch die finanzkräftigen Anrainer nicht nur die Möglichkeit verkehrsgünstiger Produktionsstätten und Handelshäuser, sondern damit im Zusammenhang wurden auch teure und großzügige Wohnbauten errichtet. Der nördliche Teil der Poststraße, also die Seite des heutigen Wohnens im Park ist verbunden mit den Fabrikanten Karsch, mehreren Hardts, Omar und Houwald Hölterhoff, und am unteren Teil mit den Namen Schürmann und Schröder. Die neue Poststraße, man nannte sie zunächst so, weil es noch eine alte, nämlich den Gänsemarkt gab, bildete bald den Anfang des sog. Speckgürtels der Stadt, zu dem auch der Thüringsberg zählte, an dem ebenfalls an der Nordseite zwischen 1830 und 1870 die prächtigen Fabrikantenvillen von Hardt und Buchholz entstanden. Die Poststraße wurde im Volksmund bis in das 20. Jahrhundert auch Millionärsstraße genannt, und besonders im unteren Teil gegenüber dem Bismarckplatz. Dort stehen auch heute noch Reste aus der sehr guten alten Zeit, den Abriss der weiter oben befindlichen Hardtvillen bzw. des Schuhhauses Flick (früher Fabrikant Hermann Schröder) haben manche von uns noch erlebt, und man erinnert sich an die Zeit, wo der Verkehr hier äußerst beengt von der Kölner Straße her scharf um die Ecke zum Bismarckplatz ging, woraus mehrere größere Unglücke, auch mit der Straßenbahn, entstanden. Den Familien Schürmann und Hardt gehörte lange Zeit im 19. Jahrhundert das Gesamtareal des später so genannten Bismarckplatzes, der von Ihnen errichtete Springbrunnen speiste sich dabei aus einem der in Lennep zahlreichen Sammelteiche. Der hier einschlägige wurde übrigens nach seinem Pächter Schürmannteich genannt, und es gibt in den Lebenserinnerungen des Lenneper Baumeisters Albert Schmidt die Anekdote, wie er als damals noch junger Unternehmer hier Reparaturarbeiten mit Garantie übernehmen sollte. Es heißt: Unter dem Garten von Peter Schürmann an der Poststraße, welcher im Jahre 1866 noch den späteren Bismarckplatz umfasste, lag ein der Stadt gehörender Brandteich, überwölbt und mit einem überbauten Eingang für die Feuerwehr. Peter Schürmann hatte das Grundstück von der Stadt gemietet und die Verpflichtung übernommen, den Teich in Ordnung und den inneren Dichtungsdamm immer wasserdicht zu halten. Da der Damm aber doch undicht geworden war, sollte der noch unerfahrene Albert Schmidt eine Kostenrechnung zur Sanierung vorlegen. Er machte daraufhin zwei unterschiedliche Angebote: eine sach- und fachgerechte Reparatur, jedoch ohne Langzeitgarantie, sollte 500 Taler kosten, die Variante mit einer zehnjährigen Garantie für die Dichtigkeit jedoch 3000 Taler, weil dazu gänzlich andere Maßnahmen getroffen werden müssten. Der Fabrikant verlangte nun die bessere Ausführung für den geringeren Preis. Andernfalls könnte der junge Bauunternehmer auch die Arbeiten an den Schürmannschen Bauten an der Vogelsmühle einstellen, die Geschäftsbauten Schürmanns lagen zuvor übrigens auch am Bismarckplatz, im Winkel zur Düsteren Gasse.

So manches könnte man noch über den Bismarckplatz berichten, z.B. unter dem Gesichtspunkt der Haltestelle, die in der motorisierten Zeit sowohl für die Straßenbahn wie auch für den Busverkehr eine so große Rolle gespielt hat und für letzteren bis heute spielt. So war der Bismarckplatz so was wie ein Mittelpunkt des Kraftwagennetzes für das ganze Bergische Land, also ein wirkliches und überorts bekanntes Verkehrszentrum. 1928 war der der Platz ein Knotenpunkt der überregionalen Busse, drei von vier Linien trafen hier aufeinander. Es gibt noch Fotos, auf denen man am Bismarckplatz mehrere historische Busse der 1920er Jahre hintereinander aufgestellt findet, manche davon mit hinterer Doppelachse. Derartige Abbildungen findet man z.B. im letzten Verwaltungsbericht des Kreisausschusses des Kreises Lennep kurz vor der Auflösung des Kreises am 31. Juli 1929. Während der Mollplatz seine große Zeit bis zum Ende des 1. Weltkriegs hatte, lief der Bismarckplatz in der nationalsozialistischen Zeit noch einmal zur großen Form auf und wurde gerne fotografiert. Am 9. April 1938 hieß es in der Zeitung im Zusammenhang der sog. Winterhilfe: “Erstmals entstand in Lennep eine wirkungsvolle Fahnenstraße am Bismarckplatz“. Dicht gedrängt erblickte man über dem ummauerten Areal des unterirdischen Sammelteichs die Hakenkreuzfahnen an mit Girlanden umwickelten Fahnenstangen, und der junge Löwenbrunnen erhielt, feierlich flankiert von Kübelbäumchen, einen Sonderaufbau mit der Werbung für das Winterhilfswerk. Eine symbolisierte Glocke mahnte zum Opfern für die Volksgemeinschaft. Im Kreisblatt hieß es damals: „Bei einem Gang durch die Stadt betrachten wir mit Wohlgefallen die verschiedenen Lenneper Mahnmale. Recht harmonisch ist der Brunnenaufbau am Bismarckplatz. Die Glocke mahnt den Vorübergehenden zum Opfern, und dort am verkehrsreichsten Punkt unserer Stadt findet diese Werbung die größte Beachtung“. Durch das Winterhilfswerk wollte das NS-Regime die materielle Not von Teilen der Bevölkerung lindern, vor allem aber das völkische Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Dass in Lennep später auch wirkliche Kirchenglocken für die Kriegswirtschaft abgegeben werden mussten, dies wurde damals noch nicht erahnt. Gold gab ich für Eisen, meinte meine Großmutter am Mollplatz noch nach dem 2. Weltkrieg bezüglich ihres früheren Schmucks und erinnerte damit an den ersten Weltkrieg. Den 1937 vom Mollplatz an die Ringstraße versetzten Kaiser ereilte später übrigens dasselbe Schicksal. Metall wurde für den Krieg benötigt, zurückbekommen hat man nichts.

Auch ich selbst habe natürlich noch Erinnerungen an den Bismarckplatz, so wie er sich mir in der Kinderzeit bzw. Anfang der 1960er Jahre darstellte. Als Kinder kauften wir im Kiosk Salmiakpastillen zum Ablecken vom Handrücken, das machten uns die Mädchen vor, weiterhin einzelne Himbeer- und Brausebonbons für je einen Pfennig. Mit vierzehn halfen wir Schüler stundenweise nachmittags in einem kleinen Betrieb an der oberen Kölner Straße bei einem Hersteller für Reparaturkoffer aus, der Stundenlohn betrug damals 1 Mark 30, einen Teil davon trugen wir gleich hinterher in die neue Pommes Frites Bude am Bismarckplatz. Ich erinnere mich noch genau, aus dem Lautsprecher des dortigen Transistorradios tönte es damals: in the jungle, the mighty jungle, the lion sleeps tonight, es muss also in der Tat 1961/62 gewesen sein. Im Jahre 1961 wurde ich von Pfarrer Spengler konfirmiert.

Soweit ich mich erinnere, habe ich die heute im Brennpunkt des Lenneper Interesses stehenden Toilettenanlagen am Bismarckplatz nur äußerst selten aufgesucht, was auch kein Wunder ist, da die damals im oder am Rundling Lennep wohnhaften Bürger den Weg nach Hause ja in kürzester Zeit zurücklegen konnten. Ob der Rundling siedlungswissenschaftlich betrachtet überhaupt einer ist, diese Frage lassen wir hier mal beiseite, aber der Durchmesser der irgendwie runden Wallstraße liegt bekanntlich bei etwa 350 bis 400 Metern. Die später vielbevölkerten Areale Hasenberg und Hackenberg gab es damals noch nicht, oder in der heutigen Größe nur im Ansatz. Jedoch war natürlich schon damals die Nutzung der Toilettenanlage vor allem auch dem Verkehrsknotenpunkt geschuldet, und heute, da die Rentner beim Karstadt bzw. Hertie nicht mehr frühstücken und „zu Potte kommen“ können, ist nicht nur der Fremdenverkehr in Lennep, auf den die alte Zeit so viel Wert legte, ein Argument dafür, Kiosk und Toiletten in sauberer Form bereitzuhalten. Auch von einem Tourismusbüro ist z.Zt. die Rede. Von daher wünsche ich allen, die sich gegenwärtig für den Erhalt bzw. die Renovierung einsetzen, vollen Erfolg! Neuerdings kümmern sich ja wohl auch Landschafts- und Denkmalschutz um die geplanten Rettungsversuche, wer hätte das gedacht, damals, als ich meine Bratwurst mit original belgischen Pommes, Mayo und Ketchup an der Resopal- bzw. Plastikbude aß.
Jedenfalls ist der Bismarckplatz, an dem mir letztes Jahr ein Postler sagte, dass die dortige Telefonanlage sich nicht mehr rentiere, von einer „Zelle“ war sowieso schon lange keine Rede mehr, nach wie vor ein Treff, wenn auch die einstige Schönheit nachgelassen hat. Ach übrigens, wenn man meint, mich am nächsten Samstag am Bismarckplatz persönlich zu erblicken, so ist dies wahrscheinlich keine Fata Morgana, vielmehr komme ich im Rahmen einer Lennepführung dort vorbei.

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