Die Firma Wender & Dürholt in Lennep – Eine Reminiszenz – Teil II

28 April 2009 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Auf die Veröffentlichung des ersten Teils zur Geschichte des Lenneper Unternehmens Wender & Dürholt erhielt der Verfasser so viel Zuspruch und neue Informationen, so dass es angebracht erscheint, das Thema unter Verarbeitung der neuesten Erkenntnisse weiter zu verfolgen. Beispielsweise fand sich bei den Nachfahren der letzten Firmeninhaber eine lange auch über die Presse gesuchte Firmenschrift aus der Zeit des ersten Weltkrieges, und über das Schicksal des um 1952 nach Australien ausgegründeten Firmenteils konnten alsbald mehr Informationen gewonnen werden, als man zunächst zu träumen gewagt hätte. So entstand die Idee nach einem vertieften Blick auf die frühe Zeit im alten Lennep und die neue Entwicklung auf der anderen Seite der Welt. Letztere wird den Gegenstand des dritten und letzten Teils dieser Reminiszenz bilden.

Als Dr. Michael Metschies um 1990 das Material für die von ihm herausgegebene Schulgeschichte des Lenneper Röntgen-Gymnasiums zusammenstellte, beschäftigte ihn auch das Thema Wender & Dürholt, weil der zwischenzeitliche Eigentümer dieser Firma, der Lenneper Architekt Paul Dürholt (1880-1955), am Schulneubau an der Röntgenstraße wesentlich beteiligt war. So hatte er beispielsweise mit seinen Entwürfen beim engeren Wettbewerb den 1. Preis gewonnen und führte später mit seiner Firma trotz kriegsbedingter Personalknappheit auch Teile der praktischen Bauarbeiten durch. Metschies befragte seinerzeit auch Nachfahren Paul Dürholts in Lennep, und er kam dann aufgrund seiner Kontakte insgesamt zu dem Schluss, dass beim Abriss der alten Geschäftsgebäude von Wender & Dürholt im Jahre 1974 nahezu die gesamten Geschäftsunterlagen und Bauzeichnungen verloren gegangen seien. Dieser Befund war auch zutreffend, insoweit es die Alltags- oder Arbeitsdokumente betraf, die in dem historischen Gebäude Ecke Wupper- und Rospattstraße im Keller gelagert waren. Bei der Wiederaufnahme des Themas in der jetzigen Zeit zeigt sich jedoch, dass sich bei den Nachfahren der Familie Lohmann trotz allem doch ausgesprochen wichtige und aussagekräftige Dokumente erhalten haben, die im Blick auf die frühe Entwicklung der Firma, also noch im 19. Jahrhundert bzw. um die folgende Jahrhundertwende, einige neue Schlaglichter werfen.

Wir erinnern uns: die wahrscheinlich von Christian Schmidt, dem Vater des Lenneper Architekten Albert Schmidt bereits um 1835 bis 1840 gegründete Holzfirma, die seinerzeit mit der Lüttringhauser Ziegelei am Neuenhof und dem Lenneper Baugeschäft an der Knusthöhe eine sinnvolle Einheit bildete, wurde noch in den 1860er Jahren durch Albert Schmidts langjährigen Weggenossen Wilhelm Wender (1829-1880) und Albert Schmidts Jugendfreund Ludwig (Louis) Dürholt (1842-1913) neu gegründet und 1870 in das Lenneper Handelsregister eingetragen. Beide Personen sind im Lenneper Adressbuch dieses Jahres als Zimmermeister für die Mühlenstraße 61, also nahe dem späteren Areal an der Wupperstraße, nachgewiesen. Louis Dürholt spielte später als Vorstandsmitglied des Gemeinnützigen Bauvereins, des Lenneper Vereins für Gemeinwohl sowie als Stadtverordneter (1900 ff.) wie seine Jugendfreunde Albert Schmidt und Fritz Haas unterhalb der eigentlichen Honoratiorenebene der Fabrikanten und oftmaligen Geldgeber wie z.B. Hardt oder Mühlinghaus eine wichtige Rolle. Die genannte Geschäftsveränderung im Jahre 1870 war damals auch unter dem Gesichtspunkt erfolgt, dass die beiden Neugründer der Familie Schmidt durch verwandtschaftliche Verhältnisse sehr verbunden waren. Nach dem Zeugnis der jetzt wieder entdeckten Firmenschrift aus der Zeit um 1915 verbanden sich weitere verwandtschaftliche Verhältnisse auch mit weiteren deutlichen Firmenkonsequenzen. So schreibt Paul Dürholt zu Beginn dieser Schrift, dass die zunächst nur als „Bautischlerei in kleinerem Umfang“ gedachte Firma sich nach dem Eintritt von Wilhelm Wenders Schwiegersohn Fritz Lisner (1855-1916), der im Jahre 1884 erfolgte, zu erheblicher Ausdehnung ausbreitete und eine eigene Bauschlosserei und Holzhandlung gründete.

Dieser Fritz Lisner, dessen Name im Zusammenhang der Firma heute zunächst gänzlich unbekannt erscheint, setzte also die Tradition von Wilhelm Wender fort und firmierte fortan auf den Briefköpfen mit Louis Dürholt zusammen als Mitinhaber. Auf einem solchen Briefkopf um 1910 empfiehlt sich Wender & Dürholt beispielsweise als Dampf-Tischlerei, Baugeschäft, Holzhandlung und Schlosserei. Der Teil Holzhandlung befand sich unter Lisners Namen im Jahre 1903 noch an der Lenneper Herrmannstraße 1. Eine überregionale Bedeutung erhielt die Firma Wender & Dürholt durch die Erfindungen Fritz Lisners, dessen Familie sich durch Heirat nach und nach übrigens nicht nur mit der Familie Wender, sondern auch mit den Familien Haas, Dürholt und Schmidt verband. Ein Foto eines Lenneper Damenkränzchens um 1890 dieser durch und durch dem Handwerkerstand entstammenden Verwandtschaft existiert noch heute. Unter den Damen findet sich u.a. auch Fritz Lisners Frau Adele, geb. Wender. Die Lisners, nach heutiger Erinnerung auch mit den Gründern der bekannten Marinier-, Fischkonserven- bzw. Feinkostfirma verwandt, kamen ursprünglich aus Wesel und um 1870 nach Lennep. Nicht aus dieser Familie Lisner stammte Adele Lissner (wohl nur fälschlich auch als „Lisner“ überliefert), die 1907 die Ehefrau Paul Dürholts wurde, wohnhaft mit ihm an der Leverkuser Straße 4 in Lennep, nur ein paar Meter von der Firma entfernt.

Fritz Lisner führte im Jahre 1907 die WeDe – Schiebefensterfabrikation ein und stützte sich dabei auf eigene Ideen und Erfahrungen, die er sich patentieren ließ. Wie die heute noch erhaltenen Unterlagen bezeugen, wurden seine Gebrauchsmuster und Patente durch den Berliner Patentanwalt Felix Brokk auch für Frankreich, England, Belgien und die USA angemeldet. Erhalten ist auch so manche Detailzeichnung für den jeweiligen Schiebefenstertyp einschließlich der Metallteile für die auch künstlerisch gestalteten Griffe und Verriegelungen. Bei der Internationalen Baufach-Ausstellung 1913 in Leipzig wurden die Fabrikate der Firma Wender & Dürholt durch eine besondere Urkunde anerkannt. Ein Stab von Vertretern sorgte damals für die Verbreitung der Lenneper Produkte, die nach der genannten Firmenschrift „hauptsächlichst in Deutschland und Österreich-Ungarn“ abgesetzt wurden. Etwa 20 verschiedene Werkzeug- und Holzbearbeitungsmaschinen waren in dieser Zeit auf dem bereits erheblich erweiterten und nach den einzelnen Betriebsteilen durchgegliederten Firmengelände an der Wupperstraße angesiedelt. Die nötige Betriebskraft wurde durch eine MAN – Dampfmaschine von 35-40 PS für einen großen Dampfkessel mit eigener Wasserleitung erzeugt. Ähnliche Fabrikate lieferte übrigens MAN damals auch an Johann Wülfing & Sohn und die Maschinenfabrik Friedrich Haas in Lennep. Um 1915 beschäftigte die Firma Wender & Dürholt um 180 Arbeiter, 4 kaufmännische und 7 technische Beamte, 3 Meister und 12 Vertreter.

      

Im Jahre 1909 begann die Firma mit der selbständigen Ausführung ganzer schlüsselfertiger Bauten. Durch den zur gleichen Zeit erfolgten Eintritt des Sohnes von Louis Dürholt, Paul Dürholt, gelangte nach dessen eigener Formulierung das „Architektur- und Baugeschäft zu beachtenswerter Blüte“. Waren die Altvorderen Albert Schmidt, Wilhelm Wender, Louis Dürholt und Fritz Lisner als Maurer- und/oder Zimmermeister allesamt noch Handwerker, so trat mit den Söhnen Arthur Schmidt und Paul Dürholt eine akademische Generation an ihre Stelle. Dass Arthur Schmidt in Berlin Charlottenburg sein Diplom bestand und zum Regierungsbaumeister ausgebildet wurde ist bekannt, hinsichtlich seines Cousins Paul Dürholt stellte Michael Metschies in seiner Schulfestschrift noch fest, über dessen Ausbildung sei nichts in Erfahrung zu bringen. In den privaten Unterlagen der heutigen Nachfahren des letzten Firmeninhabers von Wender & Dürholt befindet sich allerdings ein Architekturlehrbuch, in das Paul Dürholt wohl während seines Studiums seinen Namen eingeschrieben hat. Dem entspricht, dass Albert Schmidt in seinen privaten Aufzeichnungen erwähnt, sein Neffe Paul habe in Stuttgart und München an technischen Hochschulen studiert, was auch durch die Dürholt-Schrift „Bauten auf bergischer Heimaterde“ (s.u.) bekräftigt wird.

Was Fritz Lisner für die Abteilung Fensterbau bedeutete, das ist Paul Dürholt sicherlich für den Firmenzweig Architekturbüro gewesen. Der Ausdruck Ausführung ganzer schlüsselfertiger Bauten bedeutete ja damals nicht formales Generalunternehmertum, sondern die Erstellung eines Bauwerks aus einer Hand und nach eigenem Entwurf, bautechnisch und ästhetisch erdacht und geschaffen durch einen architekturgeschichtlich gebildeten und künstlerisch veranlagten Architekten. In diesem Sinne stritten und bauten in Lennep Sohn und Neffe Albert Schmidts vor 1914, kriegsbedingt brachen dann die entsprechenden Aufträge ab, unter ihnen auch so manches Privat- oder „Beamtenhaus“ für die Familien der Wupperindustrie.

Auch die bereits mehrfach erwähnte, lang gesuchte Firmenwerbeschrift Paul Dürholts, die unter dem Titel Wender & Dürholt – Lennep in den Historisch-Biographischen Blättern von Ecksteins Biographischem Verlag Berlin erscheinen sollte, wurde wohl wie die weiteren Hefte der geplanten Unterreihe Der Regierungsbezirk Düsseldorf ein Opfer des Krieges. Zwar wurden nach langer Recherche jetzt Exemplare entdeckt, bezeichnenderweise aber nur im Bereich der Lenneper Privat- bzw. Firmenunterlagen, bibliographisch ist das Heft in Deutschland nicht zu ermitteln. Der Umfang von nur 7 Seiten und das im Vergleich zu den früheren Heften der Reihe wesentlich geringere Druckformat deuten darauf hin, dass es sich hier um eine bewusst reduzierte Kriegsausgabe handelt, die wohl aber niemals im Handel erschien. Eine weitere Werbeschrift Paul Dürholts erschien ebenfalls nicht im Handel, ist aber immerhin nachgewiesen. Ihr Titel ist Bauten auf bergischer Heimaterde 1908 – 1913. Auf 25 Seiten wird hier auf die hauptsächlichen Bauten Paul Dürholts in Lennep und Umgebung hingewiesen, darunter der Umbau des Waldhauses von Frau Kommerzienrat Arnold Hardt, das Stallgebäude für Hardt an der heutigen Bergstraße, die Erweiterung des Krankenhauses an der Hackenberger Straße, das Kinder- und das Schwesternheim (Sauerbronnstraße), das Haus Kutzleb in der Wernerstraße, die Villen Halbach und Mühlinghaus in der Schillerstraße und schließlich das Haus Erfurt in Beyenburg. Besonderen Wert legte Paul Dürholt selbst auf die heute nicht mehr existente Villa Dörrenberg an der Wupperstraße, neben dem damaligen Kaufhaus, das heute unter dem Namen Hertie um seine Zukunft bangt. Eingeengt durch das Kaufhaus und die umgebenden Liegenschaften von Hermann Hardt sen. schien ihm die Realisierung der großzügigen Villa besonders geglückt, sogar ein kleiner Garten konnte noch realisiert werden. Leider enthalten die wertvollen historischen Abbildungen durchgängig keinen Hinweis auf die jeweilig genaue Bauzeit. Als Herausgeber der genannten Schrift zeichnet die Firma mit ihrem „leitenden Architekten Paul Dürholt“, und dessen Arbeiten werden in einem kleinen Vorwort auch (für den heutigen Geschmack etwas schwülstig) hervorgehoben. Es muss aber vermutet werden, dass hier auch Baubeispiele enthalten sind, bei denen Paul Dürholt bzw. sein Büro oder seine Holz- und Fensterfirma Wender & Dürholt planerisch oder ausführend nur beteiligt waren (etwa bei der Villa Haas in der Schillerstraße), und es enthält Zeichnungen von Objekten, die beim Druck des Heftes nur in Vorbereitung gewesen sein können. Natürlich ist aber nicht auszuschließen, dass z.B. die Planungen des Mitte der 1920er Jahre realisierten Erweiterungsbaus der Maschinenfabrik Friedrich Haas an der Leverkuser Straße auch um 1915 schon gemacht und (auch hier) nur aufgrund des Weltkriegs liegen gelassen wurden. Jedenfalls ist der Druckzeitpunk für das genannte Heft nicht wirklich bekannt, und es ist sogar möglich, dass es kriegsbedingt erst Anfang der 1920er Jahre Wirklichkeit wurde. In jedem Fall aber gibt es gut Auskunft über die Art des Dürholtschen Bauens.

In den erst kürzlich wieder entdeckten alten Unterlagen sind übrigens auch Verträge, Skizzen und Pläne erhalten, etwa ein Kaufvertrag zwischen Wilhelm Wender und dem Brauer Weskott (1869) oder ein Lageplan des Areals Wupper- und Rospattstraße sowie der „Leverkuser Gasse“, wo Louis Dürholt im Februar 1887 sein Anwesen an der Nr. 4 zwischen den Grundstücken von C. Weskott, F. Schürmann und W. Mönnigfeld einzeichnete. Jenseits der „Leverkuser Gasse“, die ja diesen Ausdruck auch heute noch verdient, wo sie schmal und verkehrsberuhigt geblieben ist, erblickt man auf dem Plan natürlich das große Areal von Hermann Hardt und innerhalb der Wupperstraßenbiegung die ehemalige Schrödervilla, wo heute das „neue“ Finanzamt steht. Das hat später übrigens, nach dem 2. Weltkrieg, auch die gegenüber liegende Firma Wender & Dürholt erbaut.

Die vorstehenden Zeilen verfolgten den Zweck, nach einer jüngst voran gegangenen ersten allgemeinen Rückbesinnung auf eine heute nicht mehr existierende Firma in Remscheid-Lennep jetzt sozusagen mit der Lupe auf das Mittelstück dieser Firmengeschichte zu verweisen, auf die Epoche, die wirklich mit den Namen Wender und Dürholt verbunden war, wobei, wie wir gesehen haben, auch der Name der ursprünglich aus Wesel stammenden Familie Lisner (später Holzhändler im Bereich Herrmannstraße – Obere Leverkuser Straße in Lennep) eine wichtige Rolle spielte. In einem weiteren und letzten Abschnitt werden wir später den dritten Teil der Firmengeschichte berühren. Diese begann, als Eugen Lohmann im Jahre 1939 die Traditionsfirma Wender & Dürholt übernahm und erfolgreich ausbaute, und ein deutlicher, neuer Akzent wurde gesetzt, als im Jahre 1952 die ersten Mitarbeiter der Firma Wender & Dürholt nach Australien reisten, um dort Tausende von Holzskeletthäusern zu errichten. Das wurde eine spannende Geschichte, und genau genommen, ist sie selbst heute noch nicht zu einem gänzlichen Ende gelangt. Wir werden sehen…

Die in unserem heutigen Beitrag mehrfach erwähnten, in der Öffentlichkeit gänzlich unbekannten Firmenschriften von Wender & Dürholt konnten übrigens vom Verfasser nunmehr digitalisiert über die Frankfurter Universitätsbibliothek öffentlich ins Netz gestellt werden, was nicht nur das Remscheider Stadtarchiv und das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv in Köln freuen wird, das sich speziell auch mit Firmengeschichten beschäftigt. Auch für den Heimatfreund und Architekturgeschichtler gibt das Material viel her, seien es nun die Bilder oder aber die einzelnen Inhalte der Texte. Man findet die Digitalisate unter:

http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/12426/
http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/12427/

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